Der Weg ins Freie

Warum die Geschichte der Natascha Kampusch jetzt schon zum kulturellen Fundus der großen Menschheitsgeschichten zählt.

 

Als der weltberühmte marxistische Philosoph Louis Althusser 1980 seine Frau Hélène erwürgte, löste das bei einem Großteil der theoretisch interessierten Community eine Abwehrreaktion aus. Der Mord wurde gewissermaßen als banale, uninteressante menschliche Fehlleistung gewertet, welche nicht den Blick auf den welthistorischen Rang des Denkers verstellen solle. Der Dichter Heiner Müller lieferte damals einen bemerkenswerten Kontrapunkt. Der Staatstheoretiker Althusser habe ihm eigentlich nicht viel zu sagen, murmelte der Dramatiker, aber, so fügte er hinzu: „Der Fall Althusser interessiert mich“ – als Material, als „dramatischer Stoff“. Müller, dem es die menschlichen Ausnahmesituationen und Extremmomente immer angetan haben, war nicht vom Intellektuellen Althusser fasziniert, sondern vom Kriminalfall Althusser – beziehungsweise, um exakt zu sein, von der Tatsache, dass ein intellektuelles Scheitern in einem Mord münden kann.

 

Bei allen Differenzen im je Konkreten, ist das natürlich das, was das Publikum immer an Kriminalfällen interessiert: dieser Blick, den sie frei geben auf das, was die Alten die „conditio humana“ genannt hätten.

 

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