Sparschweinalarm

Kampf der Kulturen. Der „Spiegel“ malt eine „stille Islamisierung“ an die Wand, in Hamburg tritt demnächst eine Anti-Islam-Partei an und mancher Ex-Linke klingt, als wäre er in der NPD. Der Narrensaum rüstet sich zur Verteidigung des Abendlandes. Falter, 4. April und taz, 5. April 07

 

 

Nein, es ist nicht so, dass es im Kampf der Kulturen nur negative Schlagzeilen gibt. Demnächst, so wurde jüngst bekannt, soll „Asterix im Morgenland“ zeitgleich auf Hebräisch und auf Arabisch erscheinen. Die Wildschweine werden in den Übersetzungen wie gewohnt rudelweise verspeist, obwohl Schweine jeder Art bei Juden und Moslems als unreine Tiere gelten. Man wolle „Brücken bauen“. Das sei, so der Verlag ernsthaft, ein Beitrag zur „Völkerverständigung“.

 

Ein bisschen spinnen sie schon, die Gallier.

 

Aber sie sind da in guter Gesellschaft. Denn wenn es um den Zusammenprall mit dem gefährlichen Islam geht, ist die Stilllegung jeder Vernunft längst Routine geworden. Eine Blüte war das vorwöchige „Spiegel“-Cover: „Mekka Deutschland – Die stille Islamisierung“. Über dem Brandenburger Tor hing bedrohlich ein türkischer Halbmond.

 

Der Anlass war die bizarre Entscheidung jener Frankfurter Familienrichterin, die das Begehren einer Deutschen marokkanischer Herkunft abwies, von ihrem Ehemann vorzeitig geschieden zu werden. Ein haarsträubend dummes Urteil gewiss, aber war die Reaktion nicht einhellig? Politiker von links und rechts verdammten den Spruch, ein Aufschrei ging durch den Blätterwald, die doofe Juristin wurde auf Erholung geschickt. Die Botschaft war ziemlich eindeutig: Die vom Grundgesetz garantierten Freiheits- und Gleichheitsrechte gelten für alle. Alles so ziemlich das Gegenteil von „stiller Islamisierung“.

 

Und hat nicht die Muslima selbst den prügelnden Pascha aus der Wohnung geworfen? War nicht sie es, die ihn geklagt hat und sich, angesichts einer überforderten Richterin auch noch medial Hilfe zu holen wusste?

 

Offenbar funktioniert die Integration doch ganz gut.

 

Aber das ficht den publizistischen Wahnsinn nicht an. Die Titelstrecke des „Spiegel“, ein einziger Panikanfall („Haben wir schon die Scharia hier?“), ist ohnehin nur das Symptom für eine Tendenz im Geistesleben: Die Angstlust vor dem gefährlichen Moslem grassiert. Angesichts der internationalen Frontstellung zwischen „dem Islam“ und „dem Westen“, angesichts von ethnisch segregierten Einwandercommunites in Großstädten, von anatolischen Paschas, türkischen Jugendbanden und Kopftuchträgerinnen wähnt man neuerdings sogar in feingeistigen Schichten das Abendland in Gefahr. Auch mancher einstige Linksliberale klingt da gelegentlich, als wäre er heute in der NPD.

 

Längst gibt es im Internet eine eingeschworene Gemeinschaft der Kämpfer gegen die „Islamisierung“. Da wird vor „Eurabia“ gewarnt, markig nach dem starken Staat gerufen („der Islam gehört verboten“), werden „Risiken und Nebenwirkungen des Mohammedanertums“ debattiert, ist von „Hinternhochbetern“ und „Migrationsmüll“ die Rede. All das stammt nicht aus obskuren Internetforen betrunkener Skinheads aus der Provinz, sondern aus Kommentaren im populären Weblog „Politically Incorrect“, das an Spitzentagen 25.000 Besucher verzeichnet. Dass es sich bei den PI-Machern nicht um Dumpfnazis aus der Eckkneipe handelt, sieht man nur an der programmatischen Kopfzeile: „Pro-amerikanisch – Pro-israelisch – Gegen die Islamisierung Europas.“

 

Jüngst konnten die Abendlandretter frohlocken. „Endlich“, war da zu lesen, werde „eine anti-islamische Partei“ gegründet. Sachbuchautor Udo Ulfkotte, der obskure Ex-„Geheimdienst-Experte“ der FAZ, Autor von „Heiliger Krieg in Europa“ will seinen Verein „Pax Europa“ in eine Partei umwandeln und bei der Hamburger Bürgerschaftswahl antreten. Immer wieder wettert Ulfkotte etwa dagegen, dass die Polygamie in Deutschland eingeführt würde. Hintergrund: Ein Oberverwaltungsgericht hatte entschieden, dass ein Flüchtling, der mit zwei Frauen nach Deutschland geflohen war, beide bei der Sozialkasse mitversichern kann.

 

Ulkig bei all dem: Die neuen Xenophoben haben die „Ausländer“ durch den „Islam“ ersetzt, was zu Modernisierungstendenzen in der Argumentationslinie führte. Anders als die alten Deutschnationalen sind die Islamophoben keine Antiamerikaner, sondern glauben sich mit den USA in einer Front des „Liberalismus“ gegen den islamischen „Totalitarismus“. Den in rechten Kreisen traditionell virulenten Antisemitismus haben sie durch bedingungslose Israelsolidarität ersetzt – klar, schließlich ist Israel von Moslems regelrecht umzingelt.

 

Das öffnet Spielraum für die schrillsten Allianzen. Rassistische Ausländerfeinde, christliche Fundamentalisten und meschuggene rechte Juden finden sich plötzlich in einem natürlich-unnatürlichen Bündnis wieder. Der Radaupolemiker Henryk M. Broder traf sich bei seiner jüngsten Wien-Tour mit einem Christenayatollah, der fordert, „christliche Einwanderer ins Land holen“, weil sonst „die Moslems aus Europa ein durch und durch islamisches Land machen“. Heinz-Christian Strache, der radikale Erbe von Jörg Haider als Führer der rechtspopulistischen FPÖ, bediente sich wiederum jüngst bei der Präsentation seines Antiislam-Vereins „SOS Abendland“ bei Broders Publizistiknetzwerk „Achse des Guten“.

 

„In Großbritannien werden die Sparschweine aus den Banken geräumt, weil sie die religiösen Gefühle der Muslime verletzen könnten, die im Schwein ein unreines Tier sehen“, zitierte Strache aus einer der „Achsen“-Enthüllungen und hob an: „Was ist eigentlich los in Europa, im freien Westen?“  Blöd nur, dass die Sache völlig frei erfunden war. Die britische Halifax-Bank, um die es dabei ging, stellte dazu fest, „dass wir keine Sparschweine aus unseren Filialen verbannt haben – wir haben sie schon seit Jahren nicht verwendet.“

 

Dass innerhalb der jüdischen Gemeinden in Europa ein zunehmend schärfer ausgetragener Streit zwischen linksliberalen Juden auf der einen, rechten und rechtsradikalen Juden auf der anderen Seite tobt, ist einer der traurigeren Nebenaspekte der Causa. Micha Brumlik sprach an dieser Stelle von „Gereiztheit“, eine Formulierung von feiner Eleganz, bedenkt man, dass es fast schon üblich geworden ist, dass sich Juden, die beim Moslembashen nicht mitmachen wollen, von den Haudraufs als „koschere Antisemiten“ beflegeln lassen müssen.

 

Zu den heiteren Aspekten gehört dagegen, dass die Abendland-Verteidiger ernsthaft überzeugt sind, mit dem Kampf gegen „Multikulti“ im Lager eines amerikanisch geprägten Liberalismus zu stehen. Dabei will man selbst im Bush-Amerika von solchen zwielichtigen Freunden nichts wissen. So warnte unlängst der Unterstaatsekretär im US-Außenamt, Daniel Fried: „In Westeuropa herrscht ein bizarres Klima. Panische Ängste wie ‚die Migranten akzeptieren hier nicht unsere Werte, sie stellen eine Bedrohung für unseren Lebensstil dar’ beherrschen dort die Atmosphäre.“

 

Die USA wollen dem entgegenwirken. Für Amerikas Bewunderer vom politischen Narrensaum dürfte die Nachricht einem Schock gleichkommen.

8 Gedanken zu „Sparschweinalarm“

  1. Hallo Misik,
    zu Ihrem heutigen Beitrag (5.April.2007) in der TAZ kann ich Ihnen nur gratulieren. Er steht in einem überaus wohltuenden Kontrast zu dem leider vielstimmigen Chor von „islamophoben“ Journalisten und sonstigen zweifelhaften Hütern abendländischer Kultur. Weiter so…
    MFG
    Bernd Köhler

  2. da stößt man wirklich auf etwas spannendes: wenn sich plötzlich der burschenschafter strache um frauenrechte in islamisch geprägten gesellschaften sorgt, dann weiß man schon, von welcher qualität die allianzen sind, die hier geschmiedet werden.

  3. Die Islamisierung ist eine Tatsache, und wer die leugnet sollte schleunigst in die Klapse! Nur ein Beispiel: Beliebtester Jungenname in Amsterdam, Brüssel, Den Haag im Jahre 2005: Mohammed!

  4. Während DU heute dein „Kaffe“ genießt, im Netz schnell deine E-Mail „checkst“ und nebenbei die Probleme unsere Gesellschaft mit den Islam herunter spielst, befinde sich tausende Christen auf der Flucht und müssen um ihr Leben fürchten.
    Aber das hat jaaa alles nichts mit den Islam zu tun, genau! Bis Ali morgens mit ner AK47 mal bei dir vorbei schaut….
    Schmeiss die Rosarote Brille weg und setzt dich mal mit der Wahrheit auseinander!
    MFG

  5. Das öffnet Spielraum für die schrillsten Allianzen. Rassistische Ausländerfeinde, christliche Fundamentalisten und meschuggene rechte Juden finden sich plötzlich in einem natürlich-unnatürlichen Bündnis wieder. Der Radaupolemiker Henryk M. Broder…
    da kenne ich noch viel schrillere alianzen:
    usa/israel/imperialismus weltbild von
    achmadinejad, hugo chavez und 90 % aller linksintellektuellen sowie 99 % nationalsozialisten
    und wenn ein rabbiner zur holocaust konferenz in den iran fährt dann IST er ein jüdischer Antisemit, auch wenn HMB ein Raudaupolemiker ist…
    wollte wegen ihren artkel nach 15 jahren beinahe falter abo kündigen

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