Die Multitude bei der Arbeit

Die G-8-Kolumne Nr. 2, 4. Juni 2007

  

Es gab schon schlimmere 2. Junis in diesem Land. Auch wenn die Rostocker Randale prompt, wie auf Bestellung kam. Von „Eskalation“, von „Eruption“ ist die Rede, und wie üblich ist es auch ein Moment wechselseitiger Beschuldigungen. Da sollte man für’s Erste cool bleiben. Im Sinne von: Solang’s nicht schlimmer kommt.

Ausschreitungen dieser Größenordung hätte es wohl auch gegeben, wenn die Schäubles dieser Republik die letzten vier Wochen nicht so ausgiebig genützt hätten, die Gewalt herbei zu reden. Aber gerade weil sie das getan haben, gilt: Es hätte leicht auch ärger kommen können.

 

Die Randale blieb auf Normalmaß, wohl auch deshalb, weil der Gipfeltross noch gar nicht eingeritten war. Auch ein Sturm auf den Zaun hat ja nicht einmal einen symbolischen Sinn, wenn sich auf der anderen Seite noch gar niemand verschanzt. Mal sehen, wie das ab übermorgen wird.

 

Ohnehin gehören die Bilder von Steine werfenden Vermummten zur Dramaturgie solcher Mobilisierungen dazu. Das ist nun einmal so, und lässt sich durch eifriges Distanzieren von Gewalt nicht aus der Welt schaffen. Denn letztlich warten alle auf diese Bilder. Die Medien sowieso. Aber auch die moderaten Linken wissen, dass Demonstrationen die Wahrnehmungsschwelle in der Regel erst überschreiten, wenn es ein wenig kracht. Von Seattle 1999 hätte kaum jemand Notiz genommen, wäre es eine Latschdemo gewesen. Irgendwie sehen die Fotos von brennenden Barrikaden auch wie Reklamebilder aus.

 

Selbst der bescheuertste Street-Fighter wird nicht im Ernst daran glauben, die Auseinandersetzung zwischen „dem System“ und „der Multitude“ würde durch quasimilitärische Begegnungen in den Straßenschluchten entschieden. Die Militanz hat kaum mehr eine besondere Bedeutung, abgesehen eben von ihrem medialen Effekt, von ihrem PR-Wert. Deswegen wünscht sich wohl auch der eine oder andere biedere Attaci, dass der schwarze Block Gewalt in homöopatischen Dosen verabreicht. Kräftig genug, um die Schlagzeile zu sichern, mehr aber nicht.

 

Das Problem dabei: der Kick-Effekt. Militanz neigt dazu, dass, wie bei der Drogensucht, die Dosis gesteigert wird. Die Logik der Schlacht ist die Logik der Sucht. Darum gilt: Besser Finger weg vom Pflasterstein.

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