Eigenblutdoping

Falter, August 2008

Es gibt Buchtitel, die sind einfach klasse. Der hier ist so einer: Der Athlet greift zu Doping, um die Leistung seines „Selbst“ zu steigern. Was im Sport kriminell ist, ist in allen anderen Sphären des Lebens erwünscht. Jeder soll in seine Kreativität, sein besonderes Ich investieren. Gegenüber diesem zeitgenössischen Kreativitätsparadigma kann man zwei Haltungen beziehen: Entweder ist alles wunderbar, weil die entfremdete Arbeit für immer weitere Kreise durch kreative Arbeit ersetzt wurde, oder es ist schrecklich, weil alle „Kreativität“ jetzt zur Ressource der Kapitalverwertung verkommen ist.
Diedrich Diederichsen, Theoretiker mit hohem Kultfaktor, will sich und uns die Sache nicht so einfach machen. Er insistiert darauf, dass die Affirmation trotz ubiquitären Kreativitätsgefuchtles noch lange nicht das Geschäft der Kunst ist, und zeigt, wie in Kunst- und Jugendbewegungen das „Ich“ als Ziel jener Bearbeitung, die man einst „Selbstverwirklichung“ nannte, ins Zentrum rückte. Der Popstar war Künstler, aber auch Kunstwerk.
Diederichsen erinnert auch daran, dass die Kunst nie vollends im ökonomisch-kreativen Komplex aufgeht, weil sie regelmäßig die Bedingungen ihres Tuns reflektiert. Ein Antiserum gegen alles Lamento von der „Totalkommerzialisierung“, aber auch gegen das antimodernis­tische Gerede von der Entleerung des Kunstbegriffs und dem Verfall verbindlicher Standards.

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