Gekündigt wegen Bagatelldelikt: Name and Shame them!

Für den Wahlblog der Böll-Stiftung:

 

Gerade häufen sich wieder solche Meldungen: Eine 58jährige Altenpflegerin nimmt sechs Maultaschen, die beim Essen im Pflegeheim übriggeblieben waren und weggeworfen worden wären, mit nach Hause – und wird fristlos gekündigt. Sie hat ja „geklaut“. So wie der 26jährige Mitarbeiter einer Bergkamener Bäckerei, der sich eine Lage Aufstrich auf ein Brötchen schmierte. Das Brötchen hatte er in der Bäckerei vorher bezahlt (!), den Aufstrich nicht. Diese Kündigung hat das Arbeitsgericht mittlerweile kassiert. Legendär ist ja derweil der Fall der Kaiser’s-Kassierin, die nach Jahren im Betrieb wegen unterschlagener Pfandbons im Wert von 1,30 Euro geschasst werden sollte. Oder der des Müllmannes, der von der Müllhalde ein Klappbett für seine Tochter mitnahm, das noch funktionstüchtig war – auch rausgeworfen wegen „Diebstahls“.

 

Ich muss ehrlich sagen: Ich wundere mich da immer wieder, zu welch unsäglichen Gemeinheiten Chefs fähig sind. Ich meine, man muss da doch gar nicht grundsätzlich werden, und über Vertrauen und Bagatelldelikte schwadronieren. Let’s be personal: Was geht in den kranken Köpfen von Leuten vor, die Mitarbeiter wegen so etwas rauswerfen? Welche Katastrophen sind es, die einem zu einem Menschen machen, der überhaupt auf die Idee kommt, jemanden ins Gesicht zu sagen: „Meier, sie sind wegen des Diebstahls von sechs Maultaschen gefeuert“?

 

Man denke das doch weiter: Da ist die Mitarbeiterin, die womöglich schon öfter in ihrem Arbeitsleben mal eine halbe Stunde, oder eine Stunde länger im Laden bleiben musste, die dann in der Dunkelheit mit der S-Bahn nach Hause hetzte, womöglich ihren Kindern zu spät das Abendbrot machte – und die dann wegen so etwas vor die Tür gesetzt wird. Und da ist die Führungskraft, die auch mal länger im Büro über den Papieren brütet – und wetten, die verrechnet jede Taxirechnung der Firma, wenn’s mal später wird und legt Mittags mal auch den Begriff „Geschäftsessen“ sehr weit aus. Die führt natürlich auch Privatgespräche mit dem Geschäftshandy, man kann das ja nicht so eng sehen. Aber Frau Meier macht das nicht – die hat ja kein Geschäftshandy. Frau Meier wird dann gekündigt, wenn sie sechs schlabbrige, übriggebliebene Maultaschen einsteckt, um sie zu Hause aufzuwärmen. Die Führungskraft aber, selbst diebisch wie eine Krähe, die aber ihre Diebstähle als eine Art Bonus für ihr Engagement für die Firma interpretiert, wird womöglich noch befördert.

 

Ich weiß schon: Die Maultaschen und die Pfandbons und die Klappbetten vom Müll sind nicht der Grund, nur der Anlass, einen Mitarbeiter leicht loszukriegen, wenn die Geschäfte mal schlecht gehen. Aber doch sagen sie etwas aus über den Geist, der offenbar in manchen Führungsetagen herrscht. Again, let’s get personal: Schön, dass Arbeitsgerichte einschreiten, noch schöner, wenn man den gemeinen Unmenschen versuchen würde, das abzugewöhnen. Ich würde die Storys gerne mit Bild sehen. Ich würde gerne das Gesicht solcher Chefs in der Zeitung sehen, mit Namen drunter. Dann nämlich wären diese Praktiken schnell vorbei.

 

Name and Shame them.  

4 Gedanken zu „Gekündigt wegen Bagatelldelikt: Name and Shame them!“

  1. ich hatte da während meines zivildienstes im altenpflegeheim mal ein prägendes erlebnis, diesbezüglich:
    eine altenpflegerin hatte am neujahrstag ihre familie in russland vom telefon einer patientin aus angerufen (mobiltelefone waren verboten, zum münztelefon konnte sie nicht gehen, weil sie während der arbeitszeit die station nicht verlassen durfte). die alte dame war einverstanden und wollte auch das geld, das ihr die pflegerin anbot, nicht annehmen. während des gesprächs kam eine andere krankenschwester ins zimmer und meldete den „vorfall“ an die heimleiterin. die wiederum zitierte die pflegerin sofort zu sich ins büro, hielt ihr eine ausgedehnte moralpredigt und kündigte sie fristlos. daraufhin meinte die pflegerin, sie habe 2 kinder, und ohne den job im altenpflegeheim müsse sie mit denen womöglich zurück nach russland. und dann sagte sie noch: „da kann ich mich gleich umbringen“. woraufhin die heimleiterin zuerst die haussecurity und dann die polizei rief, um die hilfschwester wegen der „selbstmorddrohung“ in die psychiatrie einweisen zu lassen. schwupps, karriere ruiniert, existenz zerstört, einfach so.
    das tolle daran ist, dass die heimleiterin noch tage später jedem, der es hören wollte, detailliert über den vorfall erzählte. sie war ganz sicher, dass ihr verhalten gut, rechtschaffen und im interesse der heimbewohner war. widerlich.

  2. Denke, diese Kleinigkeiten werden gerne als Vorwand genutzt. Vorgabe von oben, im Zeitraum x y Stellen abzubauen. Und da ergreift „Chef“ dann dankbar die Gelegenheit …

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