Herr Minister Jung, treten Sie ab

Für das Wahlblog der Böll-Stiftung:

 

Nur um das schon zu Beginn klar zu sagen: Ich bin weder ein bedingungsloser Pazifist, noch halte ich es einfach so für ausgemacht, dass die westliche Invasion in Afghanistan eine böse imperialistische Sache ist. Afghanistan war im Jahr 2001 ein Failed State, in dem die al-Qaida zum Staat im (Nicht-)Staat geworden war und den sie zur Kommandostelle für ihren globalen Terrorfeldzug gemacht hat. Und die Taliban waren auch keine freundlichen Leute. Also, es gab gute Gründe, nach dem 11. September 2001 hier einzumarschieren. Und es gab noch mehr gute Gründe, dass sich auch Deutschland nach der heißen Phase des Krieges mit Truppen an den Stabilisierungsversuchen und State-Building-Maßnahmen beteiligte.

 

Seither ist vieles schief gelaufen. Was exakt und warum, das ist hier nicht der Punkt. Die Bundeswehr ist in einem veritablen Krieg verstrickt. Einen Krieg, den man nicht so nennen darf und den vor allem der Verteidigungsminister Franz Josef Jung nicht so nennen mag. Man könnte das eine fatale Täuschung der Öffentlichkeit und der betroffenen Soldaten nennen, die man in den Krieg schickt unter der Vorspiegelung, es handele sich nur um eine – wenngleich auch etwas riskantere – Peace-Keeping-Operation. Man könnte das wie die Kollegen von weissgarnix.de tatsächlich „Feigheit vor der eigenen Truppe“ nennen, die bloß deshalb nicht so arg ins Gewicht fällt, weil die Soldaten schon wissen, was sie erwartet – auch wenn ihnen das ihr Chef zu verheimlichen versucht.

 

Im Krieg, der eine scheußliche, hektische Sache ist, geschehen manchmal Dinge, die hinterher niemand gewollt hat. Ein hoher Offizier schätzt eine Lage falsch ein, trifft vielleicht auf Basis weniger Informationen in wenigen Minuten eine Entscheidung – und dann sind fünfzig Leute tot, darunter Zivilisten. Man mag das fast nicht so aufschreiben, weil dann jemand sagt, das klingt zynisch, aber es ist nun einmal so: so etwas passiert im Krieg, das ist nicht „Mord“, eher etwas aus der Kategorie „tragisches Unglück“. Umso wichtiger ist es aber dann, wie man hinterher damit umgeht, wie man darauf reagiert. Genau dieser Moment ist dann die entscheidende Bewährungsprobe für den obersten Manager des gesamten Unternehmens.

 

Verteidigungsminister Franz Josef Jung hat nach dem fatalen Bombardierungsbefehl auf den gestrandeten Tankwagen, bei dem sich Zivilisten gerade gratis mit Benzin bedienen wollten, alles, aber wirklich alles falsch gemacht. Er hat viel zu lange gegen alle Evidenzen behauptet, nur Aufständische wären getötet worden. Er hat gemauert und vernebelt. Er hat von „Aufklärung“ geredet, und gleich dazu gesagt, das Ziel der Aufklärung muss sein, zu zeigen, dass nur Aufständische getötet wurden. Als wäre nicht gerade der Sinn von Aufklärung, dass am Ende auch unbequeme Wahrheiten ans Licht kommen; als wäre es nicht die einzige Chance, die man in einer solchen Situation noch hat, exemplarisch zu zeigen, dass westliche Demokratien auch in der Lage sind, ihre Fehler einzugestehen. Jung, wahrscheinlich kein böser, sondern einfach ein hoffnungslos überforderter Mann, hat damit die deutsche Bundeswehr unmöglich gemacht – gegenüber den Verbündeten und gegenüber den Afghanen.

 

Frau Merkel denkt sich vielleicht, drei Wochen vor den Wahlen tauscht man keinen Minister aus. Aber es gibt Momente, da ist die Wahllogik das Unwichtigste. Das ist so ein Moment. Jung ist einfach untragbar geworden.   

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