Lieber Michael Häupl,

Ich wünsch Ihnen für den morgigen Wahltag viel Glück, ja, echt, ganz ehrlich. Werden Sie ja brauchen, ist ja in den vergangenen Tagen einiges verdammt unrund gelaufen für Sie in diesem Wahlkampf. Und vielleicht sollte man sich an diesem Samstagabend, wo der Wahlkampf langsam ausklingt und der Wahltag langsam randämmert, Gedanken darüber machen, wass da eigentlich genau passiert ist.

Die Sache ist eigentlich ganz einfach: Die ÖVP hat den Sozialdemokraten, also vor allem Ihnen, einfach eine Falle gestellt. Indem die Abschiebeministerin Fekter die beiden kosovarischen Mädchen und ihren Vater deportieren ließ, wollte sie eine Bombe in dem Wahlkampf zünden um damit ihrer traurigen Parteifreundin Marek zu Hilfe zu eilen. Ihr Kalkül: Das kann nur der SPÖ schaden. Denn wenn die Sozialdemokraten sich zu humanitären Basics bekennen, dann kann die ÖVP sich als Law-And-Order-Partei profilieren, und wenn sie sich aber nicht dazu bekennen, wenn sie vielleicht auch murmeln, dass Recht Recht bleiben müsse, dann verlieren die Sozialdemokraten eben nach links Richtung Grün. In jedem Fall also schadets den Sozen, haben die sich gedacht, und darüber freut man sich natürlich besonders in der ÖVP. 

Sie haben das natürlich super erkannt, dass das eine Falle ist und haben sich dafür entschieden – einfach auf Tauchstation zu gehen. Erst als die Mädchen abgeschoben waren (übrigens ohne ihre Teddybären, die durften sie nicht mehr einpacken, muss ja alles schnell gehen bei so einem Rollkommando), da haben Sie gesagt, Sie würden es bedauern, dass sie die Abschiebung nicht verhindern konnten. Nunja, ob Sie sie verhindern hätten können, das werden wir natürlich nie erfahren, Sie haben es ja nicht versucht. Sie haben ja gar nichts gesagt 48 Stunden lang. Ich meine, das muss man Mitten im Wahlkampf einmal schaffen zu einem Sachverhalt, der sich als wahlentscheidend erweisen könnte, zwei Tage kein Wort verlieren als Spitzenkandidat! Alle Achtung!

Aber ich will ja gar nicht nörgeln, ich verstehe ja ihre Zwänge und Notlagen. Sie fürchteten, Sie könnten einfach nur verlieren in dieser Causa, was immer Sie tun würden. Und das ist natürlich schon mal ein verständliches Motiv fürs Nichtstun. Das Problem ist nur: Auch das Nichtstun hat seinen Preis. Ich weiß ja, dass sich Sozialdemokraten manchmal fürchterlich verbiegen, das hat ja nichts mit Schlechtigkeit zu tun, sondern mehr mit Ängstlichkeit. Dass man glaubt, man muss die Kröte schlucken, man muss diesen oder jenen Kompromiss noch schließen, weil alle Alternativen noch schlimmer werden. Ja, ich versteh das, ehrlich, und Sie können sicher sein, dass Sie dafür immer mein größtes Mitgefühl haben. Nur leider zahlt man dafür halt auch einen hohen Preis. Man gewinnt überhaupt nichts und wird nur unglaubwürdiger, von Tag zu Tag unglaubwürdiger.

Ich weiß ja nicht, ob Sie das schon bemerkt haben, aber wegen Ihres Verhaltens sind viele Leute sehr zornig auf Sie. Das ist natürlich schon wieder eine Ungerechtigkeit. Die böse Fekterpartei deportiert Kinder, und dann sind die Menschen auf den sozialdemokratischen Bürgermeister böse, obwohl der doch gar nicht mitgeholfen hat beim Deportieren, sondern nur einfach nichts getan und nur den Mund gehalten hat. Ehrlich, dass manche Leute da etwas unverhältnismäßig reagieren und auf die SPÖ mehr böse sind als auf die ÖVP, das geht mir auch auf die Nerven und ich kann schon verstehen, dass Sie das ungerecht empfinden.

Aber gerade wegen all dem ist das, was in den letzten Tagen geschehen ist, ein Lehrstück: Es nützt nichts, wenn man sich verbiegt. Man hat dann keinen, auch keinen taktischen Vorteil. Nur so als Beispiel: Die Sozialdemorkaten haben all diesen schrecklichen Gesetzesnovellen zugestimmt, weil sie immer denken, man sei in dieser Frage nunmal in der Defensive, da könne man nichts gewinnen, außerdem will man ja keinen Bahö mit dem Koalitionspartner usw. Man wollte also Nachteile vermeiden. Das Ergebnis ist aber, dass damit eine Grundlage geschaffen wurde, die es der Innenministerin erlaubte, wenige Tage vor einer wichtigen Wahl eine Bombe unter ihrem Sessel zu zünden und Ihnen damit den Wahlkampf zu verhageln. Sehen Sie, das Taktieren rächt sich, irgendwann rächt es sich, manchmal in Augenblicken, wenn man gar nicht damit rechnet und wenn man es absolut nicht brauchen kann.

Lieber Herr Häupl, und ich muss sagen, ich hab mich schon gewundert: Sie hatten mal schlagfertiges Talent und politischen Instinkt. Damals, als Sie im Ariel-Wahlkampf die Haider-Provokationen zu Ihrem Vorteil umgemünzt haben. Ich hab mir eigentlich auch diesmal gedacht, wenn das wer schafft, auf diese firvolen Taschenspielertricks der ÖVP zu reagieren, dann ist das der Häupl. Weil der ein Gespür hat, nicht nur ein Gespür für Gefahren, sondern auch für Chancen hat und den Mut, auf so eine Herausforderung auch populistisch zu reagieren. Irgendwas war diesmal anders. Vielleicht werden Sie uns das ja einmal sagen, bei Gelegenheit, wieso Sie diesmal derart in die Falle getappt sind. Würde mich echt interessieren.

Wie gesagt, ich wünsch Ihnen alles Gute. Im Gegensatz vom Kollegen Menasse find ich nicht, dass irgenwas dadurch gewonnen würde, wenn Sie unter die 40-Prozent-Marke rasseln. Ich wünsch mir, dass die ÖVP wenigstens ein bißchen die Rechnung für ihr ruchloses Spiel mit Kinderschicksalen bezahlen muss und ich wünsch mir natürlich, dass die Strachepartei nicht allzu viel gewinnt. Ein bisschen mit mehr Elan dagegenhalten, hätte das sicher begünstigt. Und ob es so wahnsinnig klug war, das Ausländerthema, also das Thema der FPÖ, als das allgemeine wichtigste Thema des Wahlkampfes zu akzeptieren, na, das wird sich auch erst zeigen. Und natürlich wünsch ich mir, dass die Grünen zulegen. Aber das hat mit Wünschen nicht so viel zu tun. Weil dass die zwei, drei Prozent an Stimmen, die Sie in den vergangenen 60 Stunden verloren haben, zum überwiegenden Teil zu den Grünen wandern, das weiß eh jeder.

Und vor allem wünsch ich mir, dass Sie mal über all das nachdenken. Man kann ja Fehler machen, kommt vor bei Menschen. Aber die immergleichen Fehler immer wiederholen, das muss ja dann doch auch nicht sein, aber darin hat die SPÖ in den letzten Jahren verdammt viel Talent bewiesen. Oder?

Herzlich, Ihr Robert Misik

2 Gedanken zu „Lieber Michael Häupl,“

  1. Kluger Brief.
    Dumme SPÖ.
    Vota communista.
    Damit sich die Sozialdemokratie wieder von der rechts der Mitte nach links bewegt, nach dieser Wahl.
    Und nicht schon WIEDER weiter nach rechts, bis sie endgülig zum linken Flügel der FPÖ wird.

  2. Das Schweigen des Michael Häupl gibt es auch zu anderen Themen. Nämlich zum Beispiel zum Augartenspitz. Da schweigt er auch, nur wenn wir ihn direkt angehen, brummt er kurz etwas, was in der Sache auch nichts weiter bringt, und das war’s dann wieder.
    Danke für den Beitrag!

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