Und wann reitet die Des-Troika auch in Österreich und Deutschland ein?

Einem Hinweis der SPÖ-Nationalratsabgeordneten Sonja Ablinger verdanke ich die Links zu ein paar Papieren und Diskussionspapern europäischer Institutionen, vor allem der EU-Kommission, die sich in etwa so zusammenfassen lassen: 
Die EU-Kommission arbeitet derzeit an Vorschlägen, wie in die nationalen Haushalte aller EU-Mitglieder eingegriffen werden kann und wie diese überwacht werden können. 
Einen zusätzlichen Impuls haben diese Pläne durch den jüngsten EU-Gipfel erfahren, der folgenden Fahrplan festlegte: 
Phase II (2013-2014: – Die Kommission soll im Laufe des Jahres 2013 einen Vorschlag erarbeiten, wie eine engere ex ante Koordinierung von wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen „Reformen“ der Mitgliedstaaten aussehen kann.
– Alle Länder die den Euro nutzen, sollen Verträge mit der EU-Kommission über „Strukturanpassungsmaßnahmen“ abschließen.
Phase III (nach den Europa-Parlamentswahlen 2014): – Die „ökonomische Suveränität der Mitgliedstaaten soll progressiv auf der EU-Ebene gepoolt werden“, was eine Änderung der EU-Verträge impliziert
– Ein Eurozonen-Budget soll eingerichtet werden
Eine „Konferenz von Repräsentanten der relevanten Ausschüsse des Europa-Parlaments und Repräsentanten der relevanten Ausschüsse der nationalen Parlamente“ soll die demokratische Legitimität dieser neuen Struktur sichern. (Mehr dazu hier.) 
Wohin es im Detail gehen könnte, kann man an diesem Papier der EU-Kommission sehen, das für jeden einsehbar am Server des österreichischen Parlamentes zu finden ist: 

Ausgehend von der Fehlkonstruktion der Euro-Zone, die kaum jemand mehr bestreiten kann, schlägt die Kommission weitere Überwachungsmaßnahmen vor (beziehungsweise sie wurden bereits etabliert). 
Die „Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte“. 
Überwachung der nationalen Haushalte
„Mittelfristig (18 Monate bis fünf Jahre) sollten eine weitere haushaltspolitische Koordinierung (einschließlich der Möglichkeit, die Überarbeitung eines einzelstaatlichen Haushalts im Einklang mit den Verpflichtungen auf EU-Ebene zu verlangen) …. zur Untersützung der Umsetzung der aus der vertieften Koordinierung resultierenden politischen Entscheidungen verwirklicht werden.“
Und das geht sehr in die Richtung: Troika für alle. Nicht nur in „Schuldenstaaten“ wie Griechenland und anderswo könnten bald Kommissare einreiten, die die Haushalte überwachen und Budgetkürzungen durchsetzen – im Extremfall. 
Natürlich ist das nicht alles schlecht, teilweise ist sogar das Gegenteil der Fall. Damit eine Währungsunion funktioniert, brauchen wir mehr europäische Integration. Markoökonomische Ungleichgewichte müssen erkannt werden und es muss gegebenenfalls gegengesteuert werden. Um die soziale Katastrophe in einzelnen EU-Ländern zu bekämpfen, braucht es massive Investitionen, die nur durch die EU angeschoben werden können, da die betroffenen Nationalstaaten überhaupt nicht die Mittel dafür hätten. Bankenunion, ein gemeinsames EU-Budget, Finanzmarktregulierung, EZB-Bonds, all das ist natürlich notwendig, und findet in dem Papier auch Erwähnung.
Das Problem ist aber zweierlei: Von ausreichender demokratischer Legitimation für all das ist weit und breit nichts zu sehen, mit dem erwartbaren Resultat, dass dann von Oben, durch Rat und Kommission und entsprechend gepolte Beamte „Befehle“ erteilt werden. Insofern eben: Troika für alle!
Und das zweite Problem ist die Schwerpunktsetzung: Überwachung, Kürzung, Budgetkontrolle, Schuldenreduktion kurzum – das ganze ist durchsetzt vom giftigen Geist verallgemeinerter Austeritätspolitik. Viel viel weniger Ton wird auf die eigentlichen Probleme gelegt: die Rezession in Europa, das erwartbar niedrige Wachstum in den nächsten Jahren, der ökonomische Niedergang der Länder an der Peripherie, die katastrophale Arbeitslosigkeit. Massive Investitionsprogramme, die etwa einen „Marshall-Plan für Europa“ anschieben könnten (wie ihn etwa der Deutsche Gewerkschaftsbund) fordert, werden gerade einmal wolkig auf eineinhalb Seiten diskutiert. Konkret: Gar nichts. 
Weshalb Sonja Ablinger mit Recht anmerkt: 
Die Vorschläge der EU-Kommission zur Vertiefung der Währungsunion sind mehr als irrritierend. Sie klingen nach „Troika für alle“ – wie es transit europe bezeichnet. Im gesamten Papier wird die gegenwärtige Rekordarbeitslosigkeit mit keinemWort erwähnt, dafür wird vielfach „Disziplin“ „Strukturanpassung“ „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Arbeitsmarktreform“ gefordert. Die Kommission schlägt die „Implementierung von Strukturreformen in Mitgliedstaaten durch vertragliche Vereinbarungen‘ vor. Damit soll „mehr wirtschaftliche Disziplin“ und die „Stärkung der Anpassungsfähigkeit“ erzwungen werden. Diese Verträge werden mit Zahlungen verbunden, um den Druck auf Parlamente zu erhöhen damit ‚zügig verabschiedet und umgesetzt wird‘ und zur ‚Überwindung politischer Hindernisse‘. Das erinnert stark an die (wirtschaftlich dramatischen wie erfolglosen) Troika-Programmen für Griechenland. Troika for everyone.
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