„…der Selbstironie nie abgeneigt“

Vergangenen Montag erhielt ich in Berlin den Preis für Wirtschaftspublizistik der John Maynard Keynes Gesellschaft. Markus Marterbauer, führender Makroökonom der Arbeiterkammer, hat die Laudatio verfasst – die, da er kurzfristig die Reise absagen musste, in Berlin verlesen wurde. Ich habe mich sehr gefreut und auch viel schmunzeln müssen:

„Mit Robert Misik ehren wir einen außerordentlich vielseitigen Publizisten und politischen Schriftsteller, der mit seiner Gesellschaftskritik die unterschiedlichsten journalistischen Formate mit Virtuosität und Spaß bespielt.
Misik ist ein einflussreicher Blogger (misik.at): Erst letzte Woche kommentierte er etwa die bei einer Veranstaltung der Versicherungswirtschaft geäußerten Zweifel des österreichischen Finanzministers Hartwig Löger an der Nachhaltigkeit der gesetzlichen Pensionsversicherung und dessen Schlussfolgerung, die betriebliche und private Pensionsvorsorge sei zu stärken.

Der Clou bei Misik: Löger war vor seiner Zeit als Finanzminister Generaldirektor eines großen österreichischen Versicherungsunternehmens und der Drehtürenmoment der europäischen Politik lässt eine Rückkehr in die Versicherungswirtschaft nicht unwahrscheinlich sein. Vorher ist allerdings noch etwas zu erledigen. „Lieber nicht“, möchte man da aus deutscher Perspektive rufen, wo diese Erledigung bereits stattgefunden hat.

Misik bloggt nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich. Bis Jänner 2019 betrieb er seinen stets fokussierten, immer kurzweiligen und auch der Selbstironie nie abgeneigten Videoblog mit 582 Folgen und sehr hoher Reichweite auf der Homepage der Tageszeitung Der Standard. Und seit er den dortigen Einsparungsnotwendigkeiten zum Opfer fiel läuft der Blog auf youtube ebenso erfolgreich weiter.

Misik ist Essayist und Interviewer für sein Stammblatt, das österreichische Wochenmagazin Falter, aber auch für profil und Die Zeit, sowie die Tageszeitungen Der Standard und taz. Für das österreichische Nachrichtenmagazin profil war er am Beginn seiner Karriere von 1992 bis 1997 Korrespondent in Berlin. Er kennt also Deutschlands Politik und Gesellschaft und ist nach wie vor auch hierzulande ein gefragter Redner und streitbarer Diskutant.

Seine Bücher veröffentlicht er im Jahrestakt. Zunächst im Aufbau Verlag Berlin, dann kurz bei Suhrkamp („Halbe Freiheit. Warum Freiheit und Gleichheit zusammengehören“, 2012) und seither bei den österreichischen Verlagen Picus und Brandstätter. Ich möchte hier nur auf einige wenige für unseren Kreis besonders relevante Titel eingehen:

Zuletzt erschien 2018 sein Essayband „Liebe in Zeiten des Kapitalismus“, der in einer Sammlung von Essays, Artikeln und Vorträgen eine Zeitdiagnose anhand von Begriffen vornimmt, die unsere Epoche prägen: Angst, Konsum, Liebe, Glück, Unsicherheit, Freiheit, Patriotismus, Integration und Identität. In Summe ein wohlkomponiertes Panorama der Jetztzeit.

Davor porträtierte Misik in Jahresabstand nicht nur den Gründer der österreichischen Sozialdemokratie Victor Adler („Ein seltsamer Held. Der grandiose, unbekannte Victor Adler“ 2016), sondern auch den vorerst letzten sozialdemokratischen Kanzler Österreichs „Christian Kern. Ein Porträt“ (2017)

2015 erschien eines seiner besonders gelungenen Bücher zur Ideengeschichte der Linken: „Was Linke denken. Ideen von Marx über Gramsci zu Adorno, Habermas, Foucault & Co.“ Davor, 2014, das mit Michael Reimon verfasste EU-kritische Buch „Supermarkt Europa. Vom Ausverkauf unserer Demokratie“.

Misik ist ja kein Wirtschaftswissenschafter. Seine Fähigkeit besteht darin, wirtschaftswissenschaftliche Ideen und wirtschaftspolitische Konzepte eloquent und mit Verve für die breite Öffentlichkeit zu übersetzen und zugänglich zu machen. Etwa in seinem 2013 erschienen Buch „Erklär mir die Finanzkrise! Wie wir da reingerieten, und wie wir da wieder rauskommen“ (Picus Verlag)

Ich überspringe einige Bücher und Jahre und komme kurz zum 2005 veröffentlichten „Genial dagegen. Kritisches Denken von Marx bis Michael Moore“. Dieses Buch bildete den Ausgangspunkt für die Reihe „genial dagegen“ im Bruno Kreisky Forum für Internationalen Dialog, als deren Programmkoordinator Robert Misik fungiert. Dort versammelt er seit 2005 eine ebenso illustre wie kritische Gästeschar. Er sprach zB bereits am 5. Juni 2008 mit Kurt Rothschild unter dem Titel „Was würde Keynes dazu sagen?“ über die Finanzkrise. Er hatte zum gleichen Thema Robert Skidelsky ebenso wie Robert Shiller, James Galbraith und Martin Wolf zu Gast, diskutierte mit Colin Crouch, Gosta Esping Andersen und Hartmut Rosa ebenso wie mit Andrea Nahles und Kevin Kühnert (zu getrennten Terminen), mit Alexis Tsipras ebenso wie mit Yannis Varouvakis (auch zu getrennten Terminen), auch seine VorgängerInnen als PreisträgerInnen der Keynes-Gesellschaft Harald Schumann und Ulrike Hermann waren in dieser Reihe im Kreisky Forum geladen.

Robert Misik,
– bekannt mit der ganzen Welt so scheint es,
– Tausendsassa am Medienklavier mit 80.000 Followern auf Twitter, unzähligen Essays und Buchveröffentlichungen im Jahrestakt
– Intellektueller, aber mit der Bereitschaft, auch dann und wann den „Wurstel“ zu spielen, wie man in Wien sagen würde,
– wichtiger Übersetzer kritischer Wissenschaft
– und würdiger Träger des diesjährigen Preises der Keynes-Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik.“

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