Rettet die österreichischen Unternehmen

Konzerne streichen zehntausende Arbeitsplätze. Dabei rollt die echte Insolvenzwelle erst los. Und die Regierung schaut nur zu.

„Ich hab erwachsene Männer plärren gesehen“, hat mir mein Freund Ernst Schönberger erzählt. Es ist jetzt schon dreißig Jahre her, da hat sich die Angst in das Leben seiner Kolleginnen und Kollegen gefressen. „Und die Angst ist nie mehr weg gegangen“, sagt er. Ernst Schönberger, der mir das vor einem Jahr an einem Sonnentag am Flussufer der Steyr erzählte, hat in den siebziger Jahren als Maschinenschlosser bei den Steyr-Daimler-Puch-Werken begonnen, und war dann 24 Jahre Betriebsrat bei MAN. Der deutsche Konzern – er gehört zur Volkswagen-Gruppe – hat die Nutzfahrzeugsparte der Steyr-Daimler-Puch-Werke übernommen. Lastwagen, Traktoren. Aus der Strukturkrise wurde der permanente Strukturwandel, jedes Jahr wurden Teile der Belegschaft entlassen, wegen Rationalisierungen und „Optimierungen“, wie das in der Sprache der Bosse heißt.

Jetzt hat MAN bekannt gegeben, dass das Werk in Steyr ganz geschlossen werden soll. 2.300 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Noch einmal so viele Stellen werden bei Zulieferern verloren gehen. Für die Region ist das eine Katastrophe. Fünftausend Schicksale von Menschen – dazu kommen noch ihre Familien.

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Und es ist nur eine der Hiobsbotschaften der vergangenen Wochen. Der Flugzeugzulieferer FACC streicht hunderte Stellen, das Hotel Sacher auch, die VOEST, Swarowski, ATB in der Steiermark. Und das sind nur die großen Unternehmen und Weltkonzerne, die auf fetten Geldpolstern sitzen, aber schnell ihre Produktion an die gesunkene Auftragslage anpassen.

Das ist noch nicht einmal die Insolvenzwelle, die auf uns zurollt: kleinere und mittlere Unternehmen, die nicht einen von zwanzig Fertigungsstandorten auflassen können (weil sie nur einen haben), die versuchen, sich durchzukämpfen – und die am Ende untergehen können.

Eigentlich bräuchte es eine Regierung, die sich Tag und Nacht darum kümmert. Eine Herkulesaufgabe wäre das jetzt: Bei jeder Firma, bei jedem Konzern sich darum bemühen, sie zu retten. Mit der Führung von Volkswagen müssten schon permanente Krisensitzungen laufen, um dem Konzern klar zu machen, dass er sich nicht einfach so davonstehlen kann. Gerade war man noch so stolz auf die Elektro-LKWs, die in Steyr gefertigt werden. Für andere Unternehmen müssten Staatsbeteiligungen angeboten, Rettungsschirme gespannt werden. Ganze Kompanien von brillanten, jungen Ökonomen und Ökonominnen müssten jetzt von den Ministerien engagiert werden, denn für diese Mammutaufgabe braucht es viele Leute mit Energie. Aber hat schon irgendwer gehört, dass nennenswerte Aktivitäten entfaltet werden?

Gernot Blümel, der Finanzminister, der offenbar Zeit genug hat, in Wien nebenberuflich als ÖVP-Spitzenkandidat anzutreten, hat seiner Pannenbilanz jetzt sogar die Krone aufgesetzt. Den Fixkostenzuschuss für Unternehmen hat sein Ministerium bei den Brüsseler Stellen falsch beantragt, und statt einen reparierten Antrag schnell nachzuschicken, hat der Minister nichts Besseres zu tun als Streit mit der EU-Kommission zu beginnen. Vielleicht erhofft er sich davon Schlagzeilen, die ihm dreiundzwanzig Wählerstimmen von EU-Gegnern bringen. Es bleibt einem echt die Spucke weg: Wie verantwortungslos kann man in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten eigentlich sein? Es geht um tausende österreichische Unternehmen und hunderttausende Arbeitsplätze, um das Einkommen und den bescheidenen Wohlstand von hart arbeitenden Landsleuten. Das ist wirklich kein Zeitpunkt für pubertäre Politspielchen.

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