Kickl ist verhinderbar

Die ÖVP hat den Wählern versprochen, Kickl vom Kanzleramt fernzuhalten, jetzt unterwirft sie sich ihm. Sie sollte diesen Wählerbetrug stoppen.

Insider, Kolumne, Mitte Jänner 2025

In Österreich haben wir ja die Eigenart, uns die Dinge schönzureden, uns selbst zu belügen, den größten Irrwitz irgendwann einmal als „normal“ anzusehen und uns einzureden, es werde „schon nicht so schlimm kommen“. Aber wenn ein unverhohlener Rechtsextremist wie Herbert Kickl Kanzler wird, dann wird das ein dramatischer Wendepunkt dieser Republik.

Der Anführer der FPÖ hat im Wahlprogramm die Homogenisierung der Bevölkerung versprochen, er sagt „machen wir‘s dem Orban nach“, er hat die grotesken Impfgegner-Demonstrationen angeführt, er ist Putins Pony und Freund der Identitären. Er hat getrommelt, am Wahltag stürzen wir das System und gebrüllt, er habe schon „Fahndungslisten“, was die ÖVP jetzt nicht davon abhält, zu glauben, sie könne sich von Kickls „Fahndungslisten“ auf seine „Ministerlisten“ flüchten. Und Kickl hat ja auch eine Geschichte als Heißsporn und Überzeugungstäter, die jeder kennt. Kickl ist verhinderbar weiterlesen

Der deutsche Kriecher

Die bizarre Unterwürfigkeit hiesiger Pseudoliberaler gegenüber Elon Musk zeigt eine Untertanenmentalität.

taz, Schlagloch, Jänner 2025

Christian Lindner, der gerne ein Rechtspopulist für Villenbewohner wäre, war merklich betrübt, dass der bewunderte Multimilliardär Elon Musk auf seiner Fake-News-Plattform die Werbetrommel für die AfD rührte, statt seine – nämlich Lindners – Qualitäten ausreichend zu würdigen. „Elon“, schrieb er ranschmeißerisch, „ich habe eine Politikdebatte angestoßen, die von Ihren und Mileis Ideen inspiriert ist. Während die Migrationskontrolle für Deutschland von entscheidender Bedeutung ist, stellt sich die AfD gegen die Freiheit, die Wirtschaft – und sie ist eine rechtsextreme Partei. Ziehen Sie keine voreiligen Schlüsse aus der Ferne. Lassen Sie uns treffen, und ich zeige Ihnen, wofür die FDP steht.“

In dem Augenblick, als man diese Bettelei las, war man froh, dass der Begriff des „Fremdschämens“ schon erfunden war. Der deutsche Kriecher weiterlesen

Wie Demokratien sterben

Es ist die Unfähigkeit und die Verantwortungslosigkeit der Anderen, die Herbert Kickl ins Kanzleramt bringt.

Zackzack-Kolumne, Jänner 2025

Die Zweite Republik steht an ihrem Ende und die liberale Demokratie kippt in Richtung Autokratie. Das Land torkelt in Richtung Ungarn oder Slowakei, wo sich, weitgehend ohne große Wahrnehmung, in den vergangenen eineinhalb Jahren der Geist des Autoritären durchsetzte.

Und wie so oft ist es eine Abfolge von Fehlhandlungen von Akteuren, die ihrer historischen Aufgabe nicht gewachsen waren. Statt staatspolitische Verantwortung zu übernehmen und alles zu tun, um Österreich eine Kickl-Regierung zu ersparen, spielten sie „russisches Roulette mit der Republik“ (so Standard-Chef Gerold Riedmann). Ist ja nicht das erste Mal in der Geschichte, dass man in die Katastrophe quasi stolpert. Ich habe an dieser Stelle unmittelbar nach den September-Wahlen geschrieben, dass jetzt alle zusammen ihr „Rendezvous mit der Geschichte haben“ und formuliert „dass man alles tun muss, um eine Regierungsführung der FPÖ zu verhindern“.

Vor der Geschichte versagt

Ich habe das nicht zufällig etwas drängend und appellativ geschrieben, denn ich kenne ja meine Pappenheimer. Aber sie wurden ihrer Verantwortung nicht gerecht. Sie haben vor der Geschichte versagt. Wie Demokratien sterben weiterlesen

Immerhin, wir leben noch

Dauernd fahren uns schlechte Nachrichten ins Gehirn – und ins Gemüt. „Nachrichtenvermeidung“ ist das neueste heiße Ding. Der Negativismus kriecht in jede Ritze, wird damit aber auch zur selbsterfüllenden Prophezeiung.

taz, Dezember 2024

Irgendwann im Jahr 2022 schnitten sich die Kurven, seither haben mehr Menschen in Deutschland das Gefühl der Unsicherheit als Menschen ein Gefühl der Zuversicht haben. Der Pessimismus überholte den Optimismus. Mittlerweile steht es beinahe 40 zu 25 für das Unsicherheitsbewusstssein. Vor fünf Jahren war es noch umgekehrt. Und auch damals hätte man ja auch nicht unbedingt das Empfinden gehabt, in einer Epoche des überbordenden Fortschrittshoffnung und Zukunftsvertrauens zu leben. Immerhin, wir leben noch weiterlesen

The Rise of Authoritarianism

As authoritarian regimes rise globally, progressives face the urgent challenge of defending democracy without reinforcing the very divisions that fuel its decline.

Social Europe, Dezember 2024

In one of Ernest Hemingway’s famous novels, there is a legendary dialogue in which a man is asked how he went bankrupt. He replied that it happened in two ways: “Gradually and then suddenly.” This striking phrase resonates far beyond financial woes; it aptly describes how democracies unravel: gradually, and then suddenly. The Rise of Authoritarianism weiterlesen

Eine Story, verzweifelt gesucht…

Eine der Eigenarten der Mitte-Links-Parteien ist: Sie haben einerseits zu viele Botschaften – und zugleich zu wenige.

Zackzack, Dezember 2024

Es liegt vor unser aller Augen ziemlich klar, warum Kamala Harris gegen Donald Trump verloren hat, und weshalb ganz generell gerade rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien überall auf der Welt Wahlerfolge feiern. Die gesellschaftliche Gereiztheit gehört zum Strauß dieser Gründe und Ursachen, die Abstiegsängste und Verwundungserfahrungen Unterprivilegierter zählen ebenso dazu, zudem das Empfinden, dass es bei uns ökonomisch den Bach runter geht. Die einen, die sagen „It’s the Economy, Stupid“, haben recht, aber genauso haben sie auch unrecht, denn kulturelle Fragen spielen ebenso eine Rolle und die Schwäche der progressiven Parteien, eine klare, gewinnende Botschaft zu senden. Eine Story, verzweifelt gesucht… weiterlesen

Rebellion ist gerechtfertigt

Samira Akbarian hat eine brillante Studie über gewaltfreien Widerstand und zivilen Ungehorsam geschrieben.

Falter, Dezember 2024

Gewaltfreier Widerstand, der Regeln und Gesetze bricht, ist eine große Erfolgsgeschichte. Das gilt in demokratischen Rechtsstaaten, in denen es spektakuläre symbolische Regelübertretungen schaffen, unterdrückte Themen auf die Tagesordnung zu bringen. Das gilt sogar in Diktaturen: Untersuchungen zeigen, dass von den „erfolgreichen“ und „teilweise erfolgreichen“ Kampagnen die strikt gewaltfreien viel öfter erfolgreich sind als die gewaltsamen. Weil durch den „David-gegen-Goliath“-Effekt die öffentliche Meinung sogar in Diktaturen häufig zugunsten der Protestierenden kippt. Repression gegen gewalttätige Rebellionen lässt sich leichter „rechtfertigen“, während umgekehrt, Repression gegen friedliche Protestler Regimes erst recht in Bedrängnis bringt. Rebellion ist gerechtfertigt weiterlesen

Ein Lob der Inkonsequenz

Warum ist es eigentlich positiv, wenn jemand stets „konsequent“ seine Ziele verfolgt? Ein Plädoyer für die Geschmeidigkeit.

Zackzack-Kolumne, November 24

Als vor einigen Wochen eine Reihe prominenter österreichischer Journalistinnen und Autoren auf aufsehenerregende Weise ihre Aktivitäten auf Elon Musks Plattform X (sorry, ich sag gewohnheitsmäßig immer noch Twitter) einstellten und gemeinsam auf die neue Plattform Bluesky übersiedelten, gab es die erwartbare rechte Nörgelei, es gab sogar regelrechtes Rumgeheule, und manchmal kam auch folgender Vorwurf:

Es sei „inkonsequent“, den Twitter-Account nur auf passiv zu stellen, vielleicht weiter im Geheimen mitzulesen, aber den Account nicht vollständig zu löschen.

Meine intuitive Antwort darauf war, dass das Leben ja sowieso nichts ist, durch das man mit Konsequenz gut durchkommt.

Aber was ist das eigentlich für eine seltsame Anforderung, dass man immer „konsequent“ sein müsse? Ein Lob der Inkonsequenz weiterlesen

Wir werden nicht gemütlich sein!

Mein Rede bei der heutigen Demonstration „Demokratie braucht Dich“ vor 320.000 Teilnehmern in München.

Hallo München!

Sie stehen heute hier, weil Sie Verhältnisse, wie sie in meinem Land herrschen, verhindern wollen.

Ich wiederum stehe heute hier, weil ich Ihnen von den Geschehnissen in meinem Land berichten will.

Aber ich verstehe diese Einladung, hier zu sprechen, auch als einen Akt der Solidarität.

Dass Ihr nicht wegseht, bei dem, was bei uns passiert.

So wie wir auf unsere Freundinnen und Freunde in der Slowakei schauen, wo eine nationalistisch-autoritäre Regierung die Freiheit und die Vielheit der Zivilgesellschaft zerstören will.

So wie in Ungarn, wo unsere Freundinnen und Freunde kaum mehr Luft zum Atmen haben, weil Viktor Orban das Land in eine Halb-Diktatur umgebaut hat.

So wie in den USA, wo sich in diesen Tagen in atemberaubender Rasanz buchstäblich ein Staatsstreich von Oben vollzieht.

Liebe Freundinnen und Freunde, wir leben in einer nicht ganz erfreulichen Zeit:

Über ganze Nationen senkt sich heute wieder ein eiserner Vorhang der Unfreiheit und der Angst, die in alle Poren kriecht.

Und eine Herrschaft der Niedertracht breitet ihre Macht aus. Wir werden nicht gemütlich sein! weiterlesen

„Kann die Demokratie das Internet überleben?“

Ein damals dystopischer – heute wohl leider eher hellsichtiger – Blick aus dem Jahr 2014.

Im Jahr 2014 hielt ich auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung einen Vortrag mit dem Titel „Kann die Demokratie das Internet überleben“. Ich wurde gebeten, diesen Vortrag zu suchen und online zu stellen und mit etwas Geschick hab ich ihn tatsächlich auf meiner Festplatte gefunden. Dass er gegen Ende hin eher nur über Überschriften als über ausformulierte Thesen verfügt, bitte zu entschuldigen. Es ist ja ursprünglich nur als Redemanuskript gedacht gewesen: 
Im Jahre 2011 wurde einer ägyptischen Familie eine Tochter geboren. Das Land stand damals unter dem Eindruck einer demokratischen Revolution, Hosni Mubarak war gerade gestürzt worden.
Und die Familie entschied, ihrer Tochter folgenden Namen zu geben:
Facebook Jamal Ibrahim.
Die kleine heißt jetzt Facebook.
Aber die Namensgebung ist natürlich ein Statement, und der ägyptische Vater – glaubt man den Berichten, erfolgte die Namensgebung auf sein Drängen – hätte die Namenswahl nicht getroffen, wäre er nicht der Meinung, Facebook, die Sozialen Medien, das Internet mit seinem Raum der Kommunikationsfreiheit und seinen Organisationsmöglichkeiten hätte einen wesentlichen Beitrag zur arabischen Demokratiebewegung geleistet. Einen wesentlichen Beitrag erstens überhaupt zur Entstehung einer Kultur öffentlicher Widerrede in autokratischen Ländern, einen wesentlichen Beitrag zur Lancierung von Protesten und einen wesentlichen Beitrag zur Organisierung derselben.

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Der menschliche Faktor

Aus den Regierungsverhandlungen dringt kaum ein Detail nach draußen. Das ist ein gutes Zeichen.

Jetzt verhandeln die Spitzen von ÖVP, SPÖ und Neos schon seit Wochen über eine Regierung – bis jüngst hießen die Treffen offiziell „Sondierungen“ – und im medialen Kommentatorenkreis wird herumgenörgelt, dass das alles zu langsam gehe. Faktum ist jedenfalls, dass wir nicht wissen, wie der Stand der Gespräche ist. Allerdings: Das ist schon einmal ein sehr gutes Zeichen. Ganz offensichtlich halten die Beteiligten still und lassen nichts nach draußen dringen. Sie wahren die Vertraulichkeit. Und auch wenn das für das aufgeregte Keppler im Fernsehen langweilig ist, ist es doch vor allem erfreulich. Wenn die künftigen Regierenden ein Vertrauensverhältnis haben, dann kann das nämlich für uns alle nur gut sein.

Der menschliche Faktor in der Politik wird gerne unterschätzt, dabei ist er oft eine der wichtigsten Sachen überhaupt. Natürlich gibt es immer ideologische Unterschiede, unterschiedliche Werte, unterschiedliche Wirtschaftsphilosophien und einfache Meinungsverschiedenheiten zwischen Parteien und deren Spitzenpolitikern. Aber der menschliche Faktor entscheidet, wie mit diesen Differenzen umgegangen wird. Ob man Kompromisse sucht oder sich wechselseitig erpresst. Ob man sich ausredet, bis ein Konsens da ist, oder sich ein Bein stellt. Ob man die beste Lösung für komplexe Probleme sucht oder die beste schnelle Schlagzeile, damit man wie ein toller Hecht dasteht. Der menschliche Faktor weiterlesen

Dialektik des Widerstandes

Die Barbarei zu bekämpfen ist nötig und unumgänglich, zugleich aber auch zuwenig.

taz, das Schlagloch, November 2024

„Fühlt Euch nicht in die Ecke gedrängt, eingeengt. Bewegt Euch, so gut ihr könnt, durch diese Welt um euch herum“, schrieb Patti Smith am Tag nach der Trump-Wahl. Und endete: „Zurück an die Arbeit.“ Es war ein erster, schneller Versuch, mit dem Schock zurande zu kommen, den sie mit vielen teilt. Dieser depressiven Erstarrung. Erst heilen, erst Selfe-Care, aber dann eben auch: „Zurück an die Arbeit.“ Ist das trotzig, kämpferisch? Oder einfach, „zurück an die Arbeit“, was ja auch heißt, zurück zum Eigenen, sich nicht behindern lassen, nicht beirren von Umständen, die womöglich so lähmen, dass einem die Fähigkeit abhandenkommt, diese Umstände zu ändern.

Die Welt geht gerade bisschen den Bach herunter, Krieg, Krise, Verrücktheit, das Regressive, die Angst, negative Nachrichten schlagen in unsere Hirne ein. Von der „Nachrichtenerschöpfung“ sprechen schon die Zeitdiagnostiker. Die Abfolge an schlechten Nachrichten trägt selbst zu einer Atmosphäre der Dauergereiztheit bei, sie produziert auch einen Groll, der Ursache der nächsten schlechten Nachrichten wird. Dialektik des Widerstandes weiterlesen