Das heraufziehende Unheil…

FS Misik 618 zur Frage: Haben alle den Schuss gehört? Haben sie wirklich begriffen, was für eine Verantwortung sie jetzt haben?

“…der Boden ist längst genährt, lange schon, fürsorglich und hingebungsvoll. Tropfen für Tropfen, der der Gefühlsrohheit hinzugefügt wurde, die fortlaufende Verrohung, Einübung in Unmenschlichkeit, Voraussetzung dafür, dass Menschen Gemetzel und Massaker anrichten.

Niemals in der Geschichte kam das Unheil aus dem Nichts, es hatte eine Vorgeschichte. Und in der Vorgeschichte des kommenden Unheils stecken wir schon weiter drin, als wir jemals wahrhaben wollten.”

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Herberts tägliches Herumgeopfere…

Er schreit, beleidigt und heult rum: Herbert Kickl und der angebliche Volkswille. FS Misik Folge 617.

Was will der Wähler, die Wählerin, das seltsame Getier? Am liebsten von keinen von denen regiert zu werden, der Wähler in Österreich ist gewissermaßen ein Anarchist durch Notlage, bei der Auswahl, bei dem, was zu erwarten ist, da ist der Ruf doch: Keine Macht für Niemand!, die alte Spontiparole, wer verstünde ihn nicht, den Wähler, das seltsame Getier. Der Traum wäre, lasst mich träumen, träumt mit mir, eine Allianz Erwachsener, einer ÖVP die auf die Innovation schaut, die SPÖ die darauf schaut, dass es gerecht zu geht und Neos, die darauf schauen, dass der Geist von Liberalität und Bildung und einer Wissenskultur mehr und mehr Raum gewinnen, ja, dazu auch noch zumindest der Geist der Grünen, wenn schon nicht die Grünen als Partei dazu, dass mit Elan der Kampf gegen die Klimakatastrophe geführt wird, kurzum, eine Koalition der Vernünftigen und Allianz der Kompetenten, ach, wie würde man sich wünschen, und der gelernte Österreicher sagt da gleich, ein frommer Wunsch, wird eh nix draus, und meine Antwort darauf ist, lasst und aufhören, gelernte Österreicher zu sein, das gelernte Österreichertum ist ja selbst das Problem, lasst uns aufhören, Teil des Problems zu sein und beginnen wir, Teil der Lösung zu werden und zu sein und verlernte Österreicher zu werden.

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Allianz der Vernünftigen

Genug der Taktiererei: ÖVP, SPÖ und NEOS sollten jetzt zügig eine Koalition der Erwachsenen zustande bringen.

Herbert Kickl hat ja vor einiger Zeit in seiner unnachahmlichen Höflichkeit angekündigt, er werde dem Bundespräsidenten „den Schädel gerade richten“. Er hat ihn auch eine „senil“ und eine „Mumie“ in der Hofburg genannt. Nun, die Mumie scheint in ihrem Kopf noch recht wach zu sein. Und der Schädel sitzt auch ganz fest.

Herbert Kickl denkt sich wahrscheinlich, er hätte sich besser zeitgerecht mit dem Horrormovie „Der Fluch der Mumie“ auseinandergesetzt.

Der schlaue Alexander van der Bellen hat den Parteichefs jedenfalls die Zeit für endloses Taktieren elegant abgeschnitten, indem er einerseits auf die öffentlichen Beteuerungen hingewiesen hat, die wir alle vor und nach der Wahl gehört haben, aber etwas ironisch auch in Frage gestellt hat, ob sie das wirklich ernst meinen. Jedenfalls sollen sie das bis Freitag dieser Woche klären. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass die ÖVP bis Freitag von ihrem Nein zur Kickl-FPÖ abgeht oder Karl Nehammer ins Ausgedinge schickt. Ebenso wenig ist zu erwarten, dass Kickl eine überraschende Karte aus dem Ärmel zieht und einen anderen Kanzlerkandidaten vorschlägt. Außerdem käme die Volkspartei sowieso in ordentliche Kalamitäten, wenn Kickl seinen Kanzleranspruch zurückziehen würde. Denn die FPÖ bliebe ja auch dann eine Kickl-FPÖ. Verrückte, Verschwörungstheoretiker, Tempelritter-Anhänger, Identitären-Fans und sonstige Rechtsradikale dominieren den Parlamentsklub der Freiheitlichen in einem Ausmaß, wie es das nicht einmal in der Vergangenheit gegeben hat.

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Passionen des Engagiertseins

Wenn unsere Argumente noch nicht richtig überzeugen, dann hilft es vielleicht, wenn wir lauter brüllen? Eher nein.

taz, das schlagloch, Oktober, 2024

Manchmal, nein, unglücklicherweise sogar eher häufiger, muss ich an die schöne Formulierung von George Orwell denken: „Wie bei den Christen sind beim Sozialismus seine Anhänger die schlechteste Reklame.“ Orwell dachte da an wirre Zausel, aber auch an Doktrinäre, an Besserwisser, die sich so gerne selbst reden hören und an Charaktere ähnlicher Art. Sie kennen das. Sie können gerne auch statt „Sozialismus“ eine ganze Reihe unterstützenswerter Anliegen einfügen. Sie stoßen bestimmt in jedem Fall auf ganze Bataillone von Anhängern, die „die schlechteste Reklame“ der jeweiligen Sache sind. Nun mag es so sein, dass jede gute Sache auch Schrullis und Spinner aller Art anzieht wie das Licht die Motten. Hinzu kommt, dass jede echte Überzeugung und die Leidenschaftlichkeit, mit der man für sie eintritt, die Gefahr der Über-Überzeugtheit schon in sich trägt und damit das Risiko, in einen Tunnelblick zu geraten. Damit geht die Gefahr einher, den Rest der Welt nur mehr in Verbündete und Feinde zu unterscheiden, eine andere, dass wir womöglich glauben: Wenn unsere Argumente noch nicht wirklich überzeugen, wird es vielleicht besser, wenn wir besonders laut und ohrenbetäubend brüllen. Grundsätzlich sind wir Menschen sowieso gut darin, die Fehler der anderen krass wahrzunehmen, den eigenen Unzulänglichkeiten gegenüber aber große Nachsicht walten zu lassen. Für die eigenen Fehler, sofern wir ein Bewusstsein für diese überhaupt zulassen, finden wir stets mildernde Umstände, eine Milde, mit der die jeweils Anderen nicht unbedingt rechnen können. Passionen des Engagiertseins weiterlesen

Rendezvous mit der Geschichte

Das Wichtigste ist jetzt, zu verhindern, dass das Land in ein autoritäres Orban-Regime kippt.

Zackzack, Oktober 2024

Dieses Wahlergebnis ist nicht einfach übel, es ist ein Schlag in die Magengrube und ein Fiasko. Ein demokratiepolitisches, ein menschenrechtliches, ein staatsbürgerliches, ein „Was immer sie wollen“-Fiasko.

Eine rechtsextreme Partei mit einem spinnerten Radikalinski als Anführer wird stärkste Partei. Eine, die die irrsten Verschwörungstheorien verbreitet und Identitäre im Kader hat, deren Funktionäre noch zwei Tage vor der Wahl SS-Treuelieder singen, bei deren Wahlparty fröhlich das White-Power-Zeichen gezeigt wird. Diese Partei könnte eine Regierung anführen, wenn es ihr irgendwie gelingt, die ÖVP ins Bett zu locken. Rendezvous mit der Geschichte weiterlesen

Far-Right surge in Austria: Is Europe headed for an authoritarian wave?

Austria’s far-right Freedom Party (FPÖ) has surged to dominance in national elections, with major implications for democracy and political stability.

Social Europe, Oktober 2024

After the shocking election results in the German „Länder“ of Saxony, Brandenburg and Thuringia, it is now Austria’s turn. The far-right Freedom Party (FPÖ) has become the dominant political force with 28.9 per cent of the vote, followed closely by the Conservatives with 26.3 per cent. The Social Democrats, in a distant third place, secured only 21.1 per cent, marking the poorest results in the party’s history.

A right-wing wave is sweeping through Europe, impacting countries from Austria to Italy to the Netherlands. While the Austrian result was somewhat expected, the scale of it is shocking. It represents a democratic, human rights, and politico-cultural disaster. Far-Right surge in Austria: Is Europe headed for an authoritarian wave? weiterlesen

Aufbrausend, aggressiv, paranoid

Die rechtsextreme FPÖ wurde bei den österreichischen Parlamentswahlen stärkste Partei. Wie konnte das passieren?

taz, Oktober 2024

Der Herr ist dünnhäutig und leicht verletzlich. Er ist voller Misstrauen. Von Anderen nimmt er gerne das Schlechteste an, von sich selbst dagegen stets das Beste. Er ist prinzipiell unschuldig und ebenso prinzipiell ein Opfer. Er hat eine gewisse Freude daran, andere zu quälen und zu mobben, und ist leicht in Rage zu bringen. Menschen mag er nicht wirklich.

Herbert Kickl ist Österreich.

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Kein Rechtsrutsch, ein Rechtserdrutsch

Volkspartei und Sozialdemokraten sollten mit dem Taktieren und dem Gegeneinander aufhören.

Insider, 2. Oktober 2024

Der Sonntag war ein schwarzer Tag für Österreich. Dass die FPÖ auf Platz eins vorgestoßen ist, ist ein Erdbeben. Es gibt nichts zu beschönigen. Wie der Theaterautor Thomas Köck schon vor dem Wahltag formulierte, das ist „kein Ruck mehr, sondern eine mittlerweile jahrzehntelange Verschiebung sämtlicher demokratischer Grundprinzipien“. Kein Rechtsrutsch, sondern ein „Rechtserdrutsch“.

Die FPÖ hat noch in den allerletzten Wahlkampftagen in vollendeter Radikalität getrommelt: „Am Sonntag bringen wir das System zu Fall.“ Selbst am Tage der Wahlkampf-Schlussveranstaltung wurde bei einem Begräbnis eines Parteifunktionärs das alte SS-Lied gesungen. Spitzenleute der Partei waren mittendrin. Der Parteichef hat den Österreichern in einer Pandemie eine Pferdeentwurmungsmittel empfohlen. Menschen, die es eingenommen haben, sind gestorben. Es gruselt einem, dass 29 Prozent derer, die wahlberechtigt sind und zur Wahl gegangen sind, eine Partei gewählt haben, die sich derart selbst radikalisiert hat. Kein Rechtsrutsch, ein Rechtserdrutsch weiterlesen

Kolonisiert von der Kultur

Fredric Jameson, der große Theoretiker der Postmoderne, ist gestorben.

taz, September 2024

Mehr als fünfzig Jahre ist Fredric Jameson der vielleicht einflussreichste marxistische Kritiker und Literaturtheoretiker gewesen – und womöglich dennoch nur Eingeweihten ein Begriff. Jameson ist dieser Typus des Theoretikers, dessen Gedankenreichtum von weniger hermetisch schreibenden Autoren popularisiert wird. Am Wochenende ist Jameson neunzigjährig verstorben.

Seine Arbeiten beschäftigten sich mit Adorno und Wagner, mit Sartre und Benjamin, mit Architektur und Landschaft, mit Rem Koolhaas, Moderne und Modernismus. Er war ein packender Lehrer, zuletzt an der Duke University in Durham. Sein einflussreichstes Opus Magnum war wohl „Postmodernism. Or, The Cultural Logic of Late Capitalism“ aus 1991.

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Politik der Paranoia

Die Herbert-Kickl-Maschine: die FPÖ-Agitation ist wie aus dem Handbuch für „Falsche Propheten“. Sehr viel simpler geht schon kaum mehr.

Zackzack, September 2024

Es hat sich eingebürgert, Herbert Kickl für einen sehr gerissenen rechtsextremen Politiker zu halten. Seltsamerweise unterstellen ihm sogar Leute ein gewisses Talent, die seine Propaganda ablehnen. Andererseits ist er ein ziemlich lausiger Redner. Er schreit seine bekannten Formeln mit der immergleichen, gepressten Fistel-Stimme in den Saal, beherrscht kaum einen anderen Tonfall als den passiv-aggressiven Sound. Er versucht Witze zu machen, die selbst sein Publikum oft nicht lustig findet, setzt Pointen, die die Zuhörer verwirren, und wartet auf den Jubel, der dann nicht kommt und kriegt keinen Rhythmus hin. Gelegentlich schaut er wie eine Maus in der Lebendfalle und wundert sich, warum da kein Funke springt.

Kickls „Talent“ besteht also nicht in der Kunstfertigkeit seiner Rede, und auch nicht in den emotionalen Banden, die er mit seiner Zuhörerschaft knüpft oder seinem Sensorium für Stimmungen. Was er aber gut schafft, ist das extremistische und rechtspopulistische Vokabular perfekt zu setzen. Groll schüren, das Publikum aufganseln, eine Phantasiewelt entwerfen, in der Politik der Paranoia weiterlesen

The ascendant far right: the lust for cruelty

After the elections in eastern-German Länder and ahead of those in Austria, Robert Misik casts an unsentimental eye on far-right voters.

Social Europe, September 2024

In the German-speaking world, the election season began just in time for the start of September. Nerves are on edge. In the regional elections in Thuringia and Saxony, two eastern-german Länder, the far-right Alternative für Deutschland (AfD) won over 30 per cent of the votes and even became the strongest party in Thuringia.

Although this was anticipated, the shockwaves hit hard, their impacts going far beyond those of peripheral elections. The ruling centre-left, three-party coalition in Berlin no longer knows how to help itself and is dragging itself into the last year of its term, while the ultra-right—including barely camouflaged Nazis—has been able to win relative majorities on the local scale and a significant share of support on the national level. The ascendant far right: the lust for cruelty weiterlesen

Bald wirst Du zwangs-homogenisiert!

Die FPÖ droht in ihrem Wahlprogramm unverhohlen mit der Gleichschaltung der Gesellschaft.

Zackzack, September 2024

Dieser Tage drängten sich auffallend viele FPÖ-Politiker beim peinlichen Quasi-Staatsbegräbnis für Richard Lugner. Die harten Sitzgelegenheiten sind sie ja von den Anklagebänken im Gerichtssaal gewohnt.

Auch sonst sind sie nicht unkomisch.

Man stelle sich für einen Moment vor, ein NS-Ideologe wie, beispielsweise, Rassentheoretiker Alfred Rosenberg und ein radikaler Neoliberaler wie, beispielsweise, Friedrich August von Hayek, müssten ein gemeinsames Programmpapier ausarbeiten. Trotz mancher Schnittmengen – etwa ein gewisser Autoritarismus und die Gier nach „Härte“ gegenüber Schwächeren – kann da natürlich nur wirrer, eklektischer Unfug herauskommen. Es wäre in die eine Richtung radikal, dort in die andere, und die Autoren würden sich permanent gegenseitig in den Finger schreiben. Bald wirst Du zwangs-homogenisiert! weiterlesen