Lasst es uns besser als die Affen machen!

Bemerkungen zur Konferenz „Genial dagegen“ zum Ausklang des Kreisky-Jahres im Wiener Kreisky-Forum.

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„Genial dagegen – Was würde Bruno Kreisky heute vorschlagen?“, so lautete der Titel der zweitägigen Tagung im Kreisky-Forum in Wien, zu der Ökonomen, Politikwissenschaftler, Soziologen, Politiker, Philosphen und Theoretiker aus aller Welt angereist kamen. Wir haben die Konferenz absichtlich zum Ausklang des Kreisky-Jahres programmiert. In meiner Eröffnungsansprache formulierte ich das folgendermaßen:
Und wenn Sie sich an die Wochen rund um Bruno Kreiskys 100. Geburtstag erinnern, dann werden Sie sich daran erinnern, wieviel Nostalgie in diesen Tagen und Wochen herrschte.
Die Nostalgie nach einer Epoche, in der Aufbruch herrschte, die durchzogen war von einem progressiven Geist, in der alle davon ausgingen, dass das morgen besser sein wird als das heute, in materieller Hinsicht, aber nicht nur in materieller Hinsicht. Dass es einen Fortschritt in eminenten Sinne gäbe, mehr Demokratie, besser Bildung, mehr Emanzipation, mehr Freiheit für die Bürger, ihre eigenen Lebensentwürfe zu realisieren, ihre Träume zu verwirklichen, ihre Talente zu entwickeln, ein besseres Leben zu führen.
Aber es gab nicht nur eine Nostalgie nach diesen Optimismus einer Ära, sondern auch nach Figuren wie Kreisky. Was hat denn da immer mitgeschwungen in diesen Jubiläumswochen dieses Kreisky-Jahres: Ha, das war noch ein Politiker. Solche Politiker sollte es noch geben. Aber solche Politiker gibt es nicht mehr. Das schwang da immer mit.
So ein nostalgischer Blick zurück hat deshalb immer auch etwas Deprimierendes: Früher wars noch super, heute alles fürchterlich.
Deshalb fragen wir mit dieser Tagung zum Ausgang des Kreisky-Jahres völlig unnostalgisch und nach vorne gerichtet: Was würde Kreisky heute vorschlagen?
Aber natürlich meinen wir damit: Was sollten wir vorschlagen? Was können wir eigentlich tun, was wäre zu tun, damit wir unsere Gemeinwese

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n wieder nach vorne bringen, besser machen? Ist das überhaupt möglich?
Ja, das ist möglich, davon sind wir, davon bin ich überzeugt. Wenn 
wir daran einen Zweifel hegen würden, dann würden wir alle unsere Arbeit wahrscheinlich sofort einstellen.
Es ist möglich, es ist sogar notwendig. Aber es ist dazu auch Entschlossenheit nötig, und ein optimistischer Blick nach vorne. Es waren nie die Miesepeter, die die Welt verbessert haben, es waren immer Optimisten, die die Welt verbessert haben.

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Michael Moore und der Vorwurf der Propaganda

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Vortrag bei der Tagung „Politik im Dokumentarfilm“ im Kölner Filmhaus, 13. Oktober 2011. Lesern meines Buches „Genial dagegen“ werden die Mittelpassagen möglicherweise bekannt vorkommen…
Oh yeah, here he comes! Der berühmteste Linke der Welt! Der unterhaltsamste Klassenkämpfer dieses Globus! Der Entertainer unter den Sozialkritikern! Michael Moore, Amerikas dickste Smart Weapon: Lachen für den Frieden, Witzeln gegen Rechts, Pointen für den Regime Change in Washington. Der Filmemacher with a mission. Michael Moore gegen das Unrecht! In der Hauptrolle: Michael Moore. In der Nebenrolle: das Unrecht.
„Michael Moore und der Vorwurf der Propaganda“, so lautet das Thema, über das ich hier heute sprechen soll. 
Und da möchte ich, systematisch wie ich bin, erstmals mit der Frage beginnen, was das denn eigentlich für ein Vorwurf sein soll: Propaganda? Sind Michael Moores Filme „Propaganda“? Was ist das überhaupt „Propaganda“? 

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Solche „Wirtschaftskompetenz“ werden wir uns bald nicht mehr leisten können…

Rede zur Eröffnung des Hainfeld-Konventes der SPÖ-Niederösterreich, 14. Oktober 2011

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Dieser Hainfeld-Konvent erinnert daran, dass hier vor mehr als 120 Jahren die österreichische Sozialdemokratie gegründet wurde, wobei das nur halb stimmt natürlich. Die verschiedenen Stränge der sozialdemokratischen Bewegung, die es ja vorher schon gab, wurden hier vereinigt zu jener sozialdemokratischen Partei, die seither unglaublich viel erreicht hat. 
Bedenken wir, wie das war, vor 120 Jahren. Monarchie, ständische Ordnung, in der klar war, wer oben ist und wer unten ist. Ein Kapitalismus entwickelte sich, ein Räuberkapitalismus, der Massen einfacher Leute in die Städte spülte, wo sie schufteten, für Suppe und ein Stück Brot und ein Dach über dem Kopf, wenn sie nicht eingepfercht waren in Massenquartiere, verlaust, stinkig, ohne große Lebenschancen.

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Echt cool! www.streik.at, der Streikblog der Gewerkschaftskollegen

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Ich gurk ja grad in Köln herum, deshalb nur kurz: 

Seit heute gibt es Warnstreiks in der Metallindustrie, weil die Kolleginnen und Kollegen ein Lohnplus von etwas mehr als fünf Prozent durchsetzen wollen. Und das ist nicht nur gut so, das ist wichtig so und zwar aus drei Gründen: 
Erstens, weil ein Teil unserer ökonomischen Probleme gerade darin besteht, dass die normalen Einkommensbezieher in den vergangenen zehn Jahren eine zu flache Lohnentwicklung hatten. Die Lohneinkommen blieben hinter Inflation und Produktivitätszuwachs zurück, hinter dem, was Ökonomen den Verteilungsspielraum nennen. Aber damit dümpelt die Nachfrage. Niedrige Löhne stabilisieren keine Konjunktur, wie das die Arbeitgeber dauernd trommeln, im Gegenteil. 
Zweitens, weil es wichtig ist, dass die vergifteten Bonbons wie Einmalzahlungen nicht akzeptiert werden. Die tragen nämlich zu einer flachen Lohnkurve bei, weil sie zwar mehr Geld aufs Konto bringen – einmal -, aber die Löhne unverändert läßt. Bei der nächsten prozentuellen Erhöhung wird dann von diesem niedrigen Ausgangswert gerechnet. Und das führt langfristig zu Einkommen, die zu niedrig sind. 
Drittens, und das ist beinahe das wichtigste, sind ordentliche Lohnzuwächse bei uns – und etwa in Deutschland und den anderen starken Euro-Ländern – wichtig, damit die schwachen Euroländer wieder auf die Beine kommen können. Denn die müssen ihre Wettbewerbsposition verbessern. Wenn unsere Löhne stagnieren, müssen sie ihre senken. Wenn unsere steigen, reicht, wenn ihre stagnieren. 
Höhere Löhne bei uns sind für die Unternehmen leistbar, sie sind ökonomisch sinnvoll und sie sind für die Lösung der Probleme des Euroraums notwendig. 
Und wirklich cool ist eins: www.streik.at, der Streikblog der Gewerkschaftskolleginnen und Kollegen. 

Was ist „linker Reformismus“?

Ein paar Bemerkungen zur Rede von Berthold Huber beim Gewerkschaftstag der IG-Metall. Ein Kommentar auf Einladung der IG-Metall für ihr Webportal.
Auf die IG-Metall richten sich dieser Tage wieder alle Augen. Und das hat nicht nur mit ihrem Gewerkschaftstag zu tun. Denn, mit Verlaub: Alle paar Tage hat irgendeine Gewerkschaft einen Gewerkschaftstag – ohne dass davon irgendjemand besondere Notiz nimmt. Aber mit der IG-Metall ist das anders. Erstens, weil sie mit rund 2,4 Millionen Mitgliedern immer noch die größte Gewerkschaft der Welt ist. Zweitens, weil die IG-Metall immer schon eine der „fortschrittlichsten“ Gewerkschaften war, wenn wir unter fortschrittlich einmal verstehen, dass sie, auch wenn sie wie jede große Organisation auch ihre strukturkonservativen Seiten haben mag, doch immer ein Sensorium für neue Fragen hatte und sich offen zeigte, Dinge, die man bisher auf eine bestimmte Weise machte, auf neue Weise zu machen, auf zeitgemäßere Weise. Drittens aber, weil dieses Zeitgenössische an der IG-Metall ganz offensichtliche, messbare Erfolge zeitigt. „Mit unorthodoxen Mitteln wirbt die IG-Metall um neue Mitglieder – und hat Erfolg“, titelte vergangene Woche etwa die Hamburger „Zeit“. Solche Schlagzeilen sind selten, wenn es um Gewerkschaften geht. 4000 Mitglieder mehr als vor einem Jahr, davon die meisten unter 27 Jahren. Die IG-Metall als größte „Jugendorganisation“ des Landes. Da fragt man sich in Redaktionshäusern, in denen man gewohnt ist, über Mitgliederschwund zu berichten, wenn es um Parteien, Gewerkschaften, Kirchen oder die Freiwillige Feuerwehr geht: Wie ist das denn möglich? 

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Occupy Austria

occupy.pngOb wir damit auch so eine Überraschung erleben, wie die Amerikaner mit ihrer Occupy Wall Street Bewegung? Für kommenden Samstag, 15. Oktober, sind jedenfalls auch in Österreich eine Reihe von Aktionen unter dem Titel „Occupy Austria“ geplant. 

11 Uhr Graz Südtirolerplatz;
11 Uhr Salzburg Nationalbank;
12 Uhr Wien Heldenplatz;
13 Uhr Linz Taubenmarkt;
13 Uhr Innsbruck Annasäule;
14 Uhr Graz Mariahilferplatz;
15 Uhr Wien Westbahnhof;
19 Uhr Salzburg Residenzplatz;
19 Uhr Wien Ballhausplatz.

Frühere Treffpunkte:
Donnerstag, 13.10: 17-20 Uhr Linz Taubenmarkt: Auftaktkundgebung+Überraschungscamp. 

14 Uhr Graz Mariahilferplatz;
15 Uhr Wien Westbahnhof;
19 Uhr Salzburg Residenzplatz;
19 Uhr Wien Ballhausplatz.

Frühere Treffpunkte:
Donnerstag, 13.10: 17-20 Uhr Linz Taubenmarkt: Auftaktkundgebung+Überraschungscamp. 

Näheres gibts hier.

Also, ich bin jedenfalls neugierig. Schade halt, dass es langsam kalt wird 😉 

Und natürlich gibt’s das alles nicht nur in Österreich: Es soll ja Auftakt einer globalen Bewegung werden. Also, wer grad in Berlin ist etwa: 15 Uhr, Alexanderplatz. 

Hier ein kleines Werbevideo für die deutschen Freundinnen und Freunde: 



Occupied Wall Street Journal

Occupy wall street journal.JPGDie Besetzer auf dem Liberty Square in Lower Manhattan, einen Steinwurf von der Wall Street entfernt, haben jetzt auch eine Zeitung. Und die heißt, logisch: „Occupied Wall Street Journal“. Lesen und / oder downladen kann man sie hier

Übrigens: Wussten Sie, dass den Besetzern im „Land of the free Speech“ der Gebrauch von Mikrofonen, Verstärkern, Lautsprechern etc. untersagt ist? So müssen sie sich mit dem „menschlichen Lautsprecher“ behelfen – wenn jemand einen Satz sagt, wird er von Hunderten anderen laut wiederholt, sodass ihn auch die anderen hören können. Das macht Kommunikation natürlich etwas langsam. 
Hier ein Link zur Rede, die Naomi Klein vor den Besetzern am Liberty Square halten wollte – gehalten hat sie sie dann reichlich gekürzt, eben wegen dieser Langatmigkeit. „Occupy Wall Street – The Most Important Thing in the World now.“ Hübsch ihre Schlussgedanken: 

„A few final thoughts. In this great struggle, here are some things that don’t matter.

§ What we wear.

§ Whether we shake our fists or make peace signs.

§ Whether we can fit our dreams for a better world into a media soundbite.

And here are a few things that do matter.

§ Our courage.

§ Our moral compass.

§ How we treat each other.“

Occupied Wall Street Journal weiterlesen

Occupy Wallstreet – Ein Wendepunkt?

Es wird immer klarer, dass mit der Occuppy-Wallstreet-Bewegung etwas entstanden ist, was Kreise zieht und zu einer populären Volksbewegung von Links werden kann. Sogar Präsident Barack Obama äußerte sich jetzt positiv über die Besetzer in Südmanhattan: Die Bewegung drücke aus, „was viele Menschen über unser Finanzsystem denken“. 

Und Paul Krugman kommentiert in der heutigen New York Times: 
„Irgendwas passiert gerade. Es ist nicht ganz klar, was, aber möglicherweise sehen wir gerade den Aufstieg einer Volksbewegung, die, anders als die Tea Party, auf die richtigen Leute zornig ist. Als die Occoupy Wall Street Proteste vor drei Wochen begannen, haben die meisten Medien die Events nicht einmal erwähnt. … Jetzt, wo Gewerkschaften und viele Demokraten ihre Unterstützung der Proteste anmelden, erscheint Occupy Wall Street plötzlich als eine bedeutende Sache, die wir möglicherweise einmal als einen Wendepunkt betrachten werden.“
Dass die jungen Leute schlecht frisiert sind und manche wirre Forderung aufstellen, kommentiert Krugman lapidar: „Die Erfahrung zeigt, dass Männer in schicken Anzügen nicht nur kein Monopol auf die Weisheit haben, sie haben überhaupt sehr selten Weisheit anzubieten…“ Jedenfalls sei doch grundsätzlich klar, was die Demonstranten wollen, „und es ist jetzt die Sache öffentlicher Intellektueller und Politiker, in die Details zu gehen“. 

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„Intellektueller“ – klingt das nicht irgendwie peinlich?

„Indes“, so heißt die ambitionierte neue Zeitschrift des „Göttinger Instituts für Demokratieforschung“. Für ihre erste Ausgabe stellte sie sich die Frage: „Wo sind die Vordenker?“ Die gesamte Ausgabe als pdf gibts hier. Und zum Webportal indes-online geht’s hier. Zum Start habe ich den Kolleginnen und Kollegen einen kleinen Videocast produziert und eine „intellektuelle Katographie Wiens“ geschrieben. 

Ich muss Ihnen die traurige Mitteilung machen, dass der Kaffeehausintellektuelle ausgestorben ist. 
Zur intellektuellen Kartographie Wiens.
Der Kaffeehausintellektuelle kommt in Wien nicht mehr vor, und wenn doch, dann nur mehr als Insultierung. Der Begriff selbst ist heute vollends in der Hand von Dummköpfen, für die er ein wohlfeiles Instrument ist, ihre antiintellektuellen Ressentiments aufzuhübschen. Für diese ist schnell jeder, der zwei, drei zusammenhängende Gedanken zu fassen in der Lage ist, ein Kaffeehausintellektueller, was in diesem Fall ja nicht nur einen gescheiten Menschen meint, der im Kaffeehaus sitzt, sondern einen, der sich irgendwelche realitätsfernen Gedanken macht, aber nie zu irgendeiner Praxis kommt, weil er ja so gemütlich im Kaffeehaus sitzt, wo er elegant einen Aphorismus an den anderen reiht, wo er möglicherweise auch messerscharfe Kritik an den bestehenden Verhältnissen übt, und dann wieder versäumt, die kritikwürdigen Verhältnisse zu verändern, denn – siehe da! – schon wieder ist es spät geworden, die Sperrstunde ist da und etwaige dementsprechende Vorsätze müssen auf morgen verschoben werden. 
Dieses Ressentiment gegen den Intellektuellen als bloß schwadronierenden Kaffeehausintellektuellen ist wohl so alt wie der Begriff selbst, wie schon die berühmte Anekdote aus den späten Tagen des Ersten Weltkrieges beweist, als der K.u.K. Ministerpräsident Heinrich Graf Clam-Martinic auf die Möglichkeiten einer Revolution in Russland angesprochen, entgegnete: „Revolution in Russland? Wer soll die denn machen? Vielleicht der Herr Bronstein aus dem Café Central?“

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