Opfer bringen? Na, das ist was für die kleinen Leute…

Was in der Debatte um vermögensbezogene Steuern oft viel zu kurz kommt, ist – neben der ökonomischen Dimension – auch die moralische Dimension. Ökonomisch spricht ja vieles dafür, das Steuersystem fairer zu gestalten. Schließlich ist die Steuer- und Abgabenlast auf Erwerbseinkommen (vor allem im mittlerein Einkommenssegment) drückend, während Einkommen auf Kapitalsbesitz sehr gering besteuert sind und die Sozialabgaben aufgrund der Deckelung in Form der Höchstbemessungsgrundlage degressiv statt progressiv wirken. All das ist ökonomisch widersinnig.

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Ein Aufstand der Konservativen in der CDU?

Deutschlandradio, Politisches Feuilleton, 17. September 2010

Erika Steinbach hat also mit großer Geste ihren CDU-Vorstandsposten hingeworfen, und auch sonst gibt es … nun ja, nicht eben einen Aufstand der „Konservativen“ in der Union, aber doch aufgeregtes Gemurmel. Dessen Botschaft lässt sich in etwa so zusammenfassen: Wir, die Konservativen, werden an den Rand gedrängt in der Union. Man hört uns nicht einmal mehr zu.

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Machen wir uns stark

Kundgebung, morgen, 18. September, 18 Uhr, Heldenplatz

Sie finden auch, dass schon viel zu lange viel zu viel falsch läuft in diesem Land? Dass man endlich eine Bildungspolitik machen soll, die kein Kind zurückläßt? Sie raufen sich auch die Haare, weil man doch eigentlich seit Jahren weiß, was getan werden müsste, eine unfähige Politik aber nichts zustande bringt? Und Sie können es auch nicht mehr hören, wie in diesem Land über Migration und Integration geredet wird?

Dann geht es Ihnen so wie vielen anderen auch. Und sehr viele von denen treffen sich morgen, Samstag, 18. September um 18 Uhr am Heldenplatz (beim Heldentor) zu einer Manifestation mit dem Titel „Machen wir uns stark“. Näheres hier. Zu den ProponentInnen zählen Willy Resetarits, Christoph Grissemann und Dirk Stermann, Ute Bock, ÖGB-Präsident Erich Foglar, Caritas-Chef Franz Küberl, Josef Hader und viele andere. Und der Wolfi Ambros wird aufgeigen.

Da muss man hin.

Hier noch ein paar Zeilen aus dem Aufruf des ÖGB:

Der ÖGB und seine Gewerkschaften unterstützen die wichtigen
Forderungen der Initiative, ÖGB-Präsident Erich Foglar zählt zu den
Proponenten und wird auch bei der Kundgebung sprechen. „Wir machen
uns gemeinsam stark, weil das jede einzelne und jeden einzelnen von
uns stärker macht, und weil wir gemeinsam besser gehört werden, wenn
wir uns gegen Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung
stark machen“, sagt der ÖGB-Präsident.

Was Marx wirklich sagte

Das sind aber sehr freundliche Sätze, die Christa Eder in „Leporello“ in Ö1 heute morgen über mich sagte:

Robert Misik zählt zu jenen Menschen, die aufstehen und das Wort ergreifen, wenn etwas schief läuft; er ist einer, der Massenkundgebungen organisiert, wenn er Ungerechtigkeit ortet – und er ist einer, der es gleichsam „mit links“ zustande bringt, Bücher, die nicht eben verkaufsträchtige Wörter wie „Kritisches Denken“ im Titel tragen, in Bestseller-Höhen zu katapultieren.

Eigentlich geht’s in den Beitrag um ein Buch, das mich als 13jähriger tief prägte: „Was Marx wirklich sagte“, von Ernst Fischer.

Den ganzen Beitrag zum nachhören gibt’s hier.

„Sehr geehrter Herr Bundespräsident…“

Dieser Brief von Hilal Sezgin, Fatih Akin, Feridun Zaimoglu und anderen wurde heute in der taz veröffentlicht:

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

als Sie vor zwei Monaten Ihr Amt antraten, konnten Sie dies gewiss nicht ahnen: Dass ein (ehemaliger) Bundesbankvorsitzender eine Debatte in Gang setzen würde, in der sich allgemeine Bedenken gegen eine verfehlte Integrationspolitik mit biologistischen Annahmen über mindere Intelligenz vermengen. Dass in sämtlichen Nachrichtenmagazinen, Zeitungen und Sendern pauschalisierend über etwaige intellektuelle, charakterliche, soziale und professionelle Defizite des muslimischen Bevölkerungsanteils diskutiert werden würde. Dass von Musliminnen und Muslimen – egal ob sie deutsche Staatsbürger sind oder auch hier geboren wurden – generalisierend als „Migranten“ gesprochen würde und wir sogar im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die offizielle Rückkehr des Wortes „Ausländer“ erleben.

Erinnern wir uns zwei Monate zurück: In Ihrer Antrittsrede sagten Sie: „Unsere Vielfalt ist zwar manchmal auch anstrengend, aber sie ist immer Quelle der Kraft und der Ideen und eine Möglichkeit, die Welt aus unterschiedlichen Augen und Blickwinkeln kennen zu lernen. Wir sollten neugierig sein und ins Gespräch kommen.“ Sie erzählten die berührende Geschichte der niedersächsischen Sozialministerin Aygül Özkan und ihres Vaters, die ein Beispiel für „so viele Erfolgsgeschichten“ sei. Sie sprachen die wunderbaren Sätze: „Wann wird es bei uns endlich selbstverständlich sein, dass unabhängig von Herkunft und Wohlstand alle gleich gute Bildungschancen bekommen? (…) Wann wird es selbstverständlich sein, dass jemand mit den gleichen Noten die gleichen Aussichten bei einer Bewerbung hat, egal ob er Yilmaz heißt oder Krause? Meine Antwort auf solche Fragen lautet: Wenn wir weniger danach fragen, wo einer herkommt, als wo er hin will. Wenn wir nicht mehr danach fragen, was uns trennt, sondern was uns verbindet. Wenn wir nicht mehr danach suchen, was wir einander voraushaben, sondern was wir voneinander lernen können. Dann wird Neues, Gutes entstehen.“

Diese Worte wurden von zahllosen Musliminnen und Muslimen und von Menschen mit Migrationshintergrund mit großer Freude aufgenommen, über religiöse und Parteigrenzen hinweg. Doch was wir momentan beobachten, ist leider das Gegenteil eines solchen Prozesses, in dem Menschen aufeinander zugehen, damit Gutes entsteht. Wir erleben, wie sich Teile der Bevölkerung von anderen absetzen. Wie Minderheiten ausgedeutet und öffentlich als „Andere“ markiert werden. Die Tonlage ist oft genug nicht neugierig und gesprächsbereit, sondern aggressiv und diffamierend. Für Musliminnen und Muslime ist derzeit nicht einmal der Gang zum Zeitungshändler leicht, weil sie nie wissen, welche Schlagzeile, welches stereotype Bild sie dort erwartet. Auch in der Schule, bei der Arbeit und am Ausbildungsplatz kann es sein, dass einem Feindseligkeit entgegenschlägt.

Selbstverständlich sind das nicht die einzigen Erfahrungen dieser Tage. Es gibt auch viele freundliche Worte, viel Solidarität. Zahllose Deutsche ohne muslimischen oder Migrationshintergrund sind genauso fassungslos über die Entwicklung der letzten Wochen, fühlen sich gleichsam fremd im eigenen Land. So wie wir. Denn wie gesagt, auch wir deutschen Muslime gehören zu Deutschland, mit demselben Recht wie alle anderen religiösen, ethnischen oder sonstigen Bevölkerungsgruppen. Wir werden dieses Land nicht aufgeben. Dieses Land ist unsere Heimat, und Sie sind unser Präsident. Weil wir als Mitglieder des Staatsvolks in großer Sorge um die Zukunft dieses Landes sind, das Sie repräsentieren, wenden wir uns an Sie, der Sie so überzeugend sagten: „Es gibt unterschiedliche Interessen, es gibt Vorurteile gegeneinander, Bequemlichkeiten und Anspruchsdenken. Ich will helfen, über all das hinweg Brücken zu bauen. Wir müssen unvoreingenommen aufeinander zugehen können, einander aufmerksam zuhören, miteinander sprechen.“ Wir bitten Sie, gerade in der derzeitigen angespannten Stimmung für diese Leitsätze einer offenen, von gegenseitigem Respekt geprägten demokratischen Kultur einzustehen und öffentlich für sie zu werben.

Fatih Akin, Filmregisseur

Hatice Akyün, Autorin

Prof. Dr. Katajun Amirpur Islamwissenschaftlerin

Gabriele Boos-Niazy für das Aktionsbündnis muslimischer Frauen in Deutschland e. V.

Christian Abdul Hadi Hoffmann, stellv. Vors. der Muslimischen Akademie Deutschland

Lamya Kaddor für den Liberal-Islamischen Bund e. V.

Prof. Dr. Yasemin Karakasoglu Erziehungswissenschaftlerin und Turkologin Ali Kizilkaya für den Islamrat e. V.

Halima Krausen für die Initiative für Islamische Studien e. V.

Aiman Mazyek für den Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V.

Hamideh Mohagheghi, Theologin

Shermin Langhoff, Intendantin

Aylin Selcuk für die Deukische Generation e. V.

Hilal Sezgin, Schriftstellerin und Journalistin

Feridun Zaimoglu, Schriftsteller

Der Resonanzraum des Populismus

Ein Beitrag für den Münchner „Zündfunk“

Als ich in den neunziger Jahren Korrespondent des österreichischen Nachrichtenmagazins „profil“ in Deutschland war, wurde ich alle paar Wochen von meiner Heimredaktion mit Aufträgen losgeschickt, die immer ähnlich klangen: Wer wird der deutsche Haider? Warum gibt es keinen deutschen Haider? Wann kommt er, der deutsche Haider? Ich machte mich auf die Suche, mal wurde der deutsche Haider in der FDP vermutet, dann wieder in Baden-Württemberg, heute längst vergessene Figuren wie Manfred Brunner mit seinem „Bund freier Bürger“, dann wieder der Ex-Bundesanwalt Alexander von Stahl kandidierten kurzzeitig für die Rolle des „deutschen Haider“. Und später natürlich Herr Schill in Hamburg. Jetzt also Sarrazin. Ich vermute einmal, auch aus dem wird kein deutscher Haider. Irgendwas fehlt ihm dazu: das dramatische Talent. Die Lust, im Scheinwerferlicht zu stehen.
 
Deutscher Haider? Na, das hat er, um das in seinen Worten zu sagen, nicht in seinen Genen. 

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Für Frauenemanzipation – aber nur bei den Moslems, bitteschön!

Zu den skurrilsten Erscheinungen der „Sarrazin“-Debatte zählt, dass in Moslemhasserkreisen jetzt der Berliner Professor Norbert Bolz gefeiert wird, und zwar für Wortmeldungen wie diese hier:

Die Leute lassen sich nicht länger für dumm verkaufen. Und sie lassen sich nicht länger zum Schweigen bringen. Das hat Sarrazin auf jeden Fall erreicht. Ob das geschickt war, ob das rassistisch war spielt keine Rolle. Das Entscheidende ist, daß die Leute nicht mehr bereit sind, sich von der politischen Klasse und von besonders arroganten neuen Jakobinern, auch in den Feuilletons, den Mund verbieten zu lassen. Und das ist ein riesengroßer Gewinn für unsere Gesellschaft.

 

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Wie ich zum Kronzeugen der Sarrazin-Fans wurde…

Erst hat ihn das Moslemhasser-Portal Politically Incorrect ausgegraben, mittlerweile wird er von Sarrazin-Bewunderern eifrig herumgemailt, so dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er auch am Blog des geschätzten Kollegen Christian Ortner auftauchte: Mein Text in der taz aus dem Jahr 2006 mit dem Titel: „Haben die aschkenasischen Juden ein Intelligenz-Gen?“ Ganz offenbar hat sich auch Herr Sarrazin ganz wesentlich auf meine Kolumne gestützt. Darin schrieb ich:

 

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„Woher kommt dieser Hass? Diese giftige Freude, dass man ES DENEN endlich sagen darf?

Festrede anläßlich des 37. Bergen-Enkheimer Stadtschreiberfestes. Frankfurt/M., 3. September 2010


bergen.jpgEs ist für ein Literaturfest schon eine ziemlich einzigartige Szenerie – das jährliche Stadtschreiberfest von Bergen-Enkheim. Festzelt wie beim Kirtag, drinnen drängen sich 1200 Leute. Nicht die normale Kultursociety, sondern einfach die normale Bevölkerung von Bergen-Enkheim. Vor sich: Apfelwein, Schweinshaxen, Bratwürste. Tolle Stimmung. Es hat sehr große Freude gemacht, dort folgende Rede halten zu dürfen.

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