„Die USA sind besiegbar“

Benjamin Barber, Politikprofessor und Bestseller-Autor, über das Erwachen der Demokraten, die düsteren Aussichten im Irak und das fundamentale Ressentiment gegen westlichen Kommerz und Amerikanisierung. 

 

Sie haben vor den Risiken eines unilateralen Abenteuertums im Irak gewarnt. Heute erweist sich Tag für Tag, wie richtig solche Warnungen waren. Haben Sie damit gerechnet, dass ihnen die Realität so schnell und so blutig recht geben wird?

 

Barber: Meine Prämisse war, dass Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, sein Vize Paul Wolfowitz, Vizepräsident Richard Cheney und Präsident George W. Bush eben nicht das Lager der "Realisten" repräsentieren. Die Realisten werden in der Regel von der Realität bestätigt. Früher einmal waren die Krieger die Realisten. Aber heute kann keine Nation ihr Schicksal definieren ohne die Kooperation mit anderen, in einer Epoche der Interdependenz sind die Unilateralisten die Idealisten und die Multilateralisten die Realisten.

 

Das Buch:

Benjamin Barber: Imperium der Angst. Die USA und die Neuordnung der Welt. München, Beck-Verlag, 2003. 276 Seiten.

Euros

Veloce: 89190.

 

 

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Ethik für das Kapital

Klaus M. Leisinger, Chemiemanager und UN-Sonderberater, meint, dass Menschenrechtsfragen längst Teil der Produktqualität sind und unmoralische Firmen am Markt unnötige Risiken eingehen. 

 

Kennen Sie von Bertolt Brecht „Der gute Mensch von Sezuan“?

 

Leisinger: Vor allem die letzten beiden Zeilen.

 

Wie lauten die schnell noch mal?

 

Leisinger: „Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluss / Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss“

 

Ein berühmter Satz. Wie der, den die drei Götter sprechen, als sie realisieren, dass die kapitalistische Welt für gütige Menschen unbewohnbar ist: „Gute Vorsätze bringen sie an den Rand des Abgrunds, gute Taten stürzen sie hinab.“ Was sagt denn der Wirtschaftsethiker dazu?

 

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Skandinavisches Wunder

Joakim Palme, schwedischer Sozialpolitik-Experte und Sohn des legendären Premiers Olaf Palme, über das „skandinavische Wohlfahrtsstaatsmodell“, das Gleichheit, soziale Sicherheit und eine konkurrenzfähige Marktwirtschaft kombiniert. 

 

Neuerdings wird in Kontinentaleuropa lagerübergreifend vom „skandinavischen Modell“ geschwärmt. Was ist der Grund für den Erfolg des skandinavischen Wohlfahrtsmodelles?

 

Palme: Dass das skandinavische Modell zunehmend als Vorbild betrachtet wird, ist schon logisch – schließlich zeigen einfach die Fakten, simple ökonomische Indikatoren, dass sie erfolgreich sind. Die Wachstumsraten in Skandinavien waren in den vergangenen zehn Jahren deutlich höher als im Rest Europas. Sie beweisen, dass man Volkswirtschaften mit hohen Steuern, viel Effizienz, Wachstum und profitablen Unternehmen betreiben kann.

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„Kein Kaiser war mächtiger“

Jean Ziegler, Moralist, Ex-Nationalrat, Bestsellerautor und UN-Sonderberichterstatter über den Kampf gegen den Hunger. Er plädiert für einen „Aufstand des Gewissens“.

 

Sie sind nach Jahrzehnten als Universitätsprofessor und Parlamentsabgeordneter nun UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Ist das auch eine Rückkehr zu ihren Wurzeln?

 

Ziegler: Mein Schlüsselerlebnis war im Kongo, da war ich ein ganz junger Mann. Ich arbeitete damals – Mitte der sechziger Jahre – für die UNO. Das war ja das erste Mal, dass die Weltorganisation ein Land übernommen hat. Wir saßen in unserem Luxushotel in Kinshasa, das war bewacht von den Gurkhas, den nepalesischen Blauhelmen. Täglich kamen Kolonnen halbverhungerter Kinder aus der Stadt. Die Köche warfen ihnen Speisereste über den Stacheldraht. Die Kinder kletterten in den Draht, rissen sich die Finger auf. Die Gurkhas schlugen ihnen auf den Kopf, damit sie nicht rüber kommen. Damals habe ich mir geschworen, nie wieder auf der Seite der Henker zu stehen – auch nicht zufällig.

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„Zu wenige Kriege“

William Kristol, Kopf der „Neokonservativen“ und intellektueller Vordenker der US-Außenpolitik, über den Export der Demokratie mit Waffengewalt, die Lehren des Irakkrieges, die Irankrise und seine Treue zu George W. Bush.  profil, Mai 2006

 

profil: Wenn Sie ein „Neocon“ genannt werden – ist das für Sie eine Beleidigung oder eine Ehre?

 

Kristol: Oh, das ist ganz sicher ein Ehrentitel!

 

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„Unter einem helleren Himmel“

 Peter Sloterdijk über die Verwirrung als Produktivkraft, die verdichtete Welt des „Kapitalinnenraums“, seine prägenden Jahre als Bhagwan-Jünger in Poona und was die Linke und Banken gemeinsam haben.

  

In einer Rede über die 68er haben Sie einmal gesagt: „Man musste mehr Verwirrung wagen, um mehr Demokratie zu bekommen.“ Ist die Verwirrung eine Produktivkraft?

 

Sloterdijk: Sicher. Alle wesentlichen Aufbruchsbewegungen seit mehr als 200 Jahren haben etwas mit produktiver Verwirrung zu tun. Immer, wenn es vorwärts geht, ist zunächst die Semantik trübe. Wir leben heute in interessanten Zeiten, weil sich die historische Semantik der Linken und der Rechten, die uns seit 200 Jahren Orientierungsdienste leistete, in eine gewisse Konfusion auflöst.

 

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„Handel mit Emotionen“

Dietmar Ecker, Medienberater von Natascha Kampusch, über Deals mit dem Boulevard, intellektuelle Doppelmoral und seinen Versuch, „den Tiger zu reiten“

 

Dietmar Ecker, 42, Chef der Medien- und PR-Agentur Ecker und Partner, gehörte zum Beraterteam von Natascha Kampusch. Ecker war früher Sprecher von Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina, in den späten Vranitzy-Jahren hatte er den Job des Chefkommunikators der SPÖ. Zuletzt stand er dem ÖGB und der BAWAG zur Seite.

 

Nehmen wir einmal an, Sie wären nicht Medienberater von Natascha Kampusch gewesen. Würden Sie sagen, das ist alles gut gelaufen?

 

Ecker: Bevor ich zum Beraterteam stieß, hätte ich gesagt, ich würde es lieber mit den „A-Medien“ machen. Mit meinem Wissen von heute würde ich sagen, es war sehr richtig, dass wir es so gemacht haben. Hätten wir sie abgeschottet, dann hätte das die gegenteilige Wirkung gehabt. Sie wäre die Paparazzi nicht mehr losgeworden.

 

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